Die fantastischen Welten des J. R. R. Tolkien - im Kino, als Freizeitpark oder als Versepos.

Stuttgart - Während die Arbeiten am Kinofilm "Hobbit" stocken, plant das Filmstudio Universal angeblich den Bau eines Mittelerde-Freizeitparks. Der Klett-Cotta-Verlag veröffentlicht da lieber J. R. R. Tolkiens Version der nordischen Sage von Sigurd und Gudrón als Versepos.

Der Ort der Handlung ist nicht Mordor. Ja, noch nicht einmal Mittelerde. Hier gibt es keine Orks oder Hobbits und keinen Gandalf. Doch auch in der nordischen Sagenwelt, in der "Die Legende von Sigurd und Gudrón" spielt, finden sich magische Ringe und Schwerter, Zwerge und Drachen und ein Held, der auserwählt ist, das Böse zu bekämpfen: "Herum fuhr Sigurd, / da sah er Regin / mit Hass im Herzen / durchs Heidekraut kriechen. / Ein Hieb enthauptete / Hreidmars Sohn, / da schoss hervor das schwarze Blut."

John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973), der als Altphilologe an der Universität in Oxford lehrte, hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, das in seinem "Herr der Ringe"-Meisterwerk an vielen Stellen Motive der altgermanischen oder altnordischen Mythologie nachklingen. Im Sigurdlied trifft man zum Beispiel auf den Zwerg Andwari, der offensichtlich Tolkiens Vorbild für Gollum war: Andwari versteckt im Wasser einen Goldschatz, und als ihm dieser geraubt wird, flucht er: "Reue rufe/ mein Ring hervor! / Bringen wird bald er / zwei Brüdern den Tod, / erschlagen sieben Fürsten, / Schwertstreit erwecken".

Wenn Tolkien nicht der Mann wäre, der mit der "Herr der Ringe"-Trilogie dem Fantasygenre ein bis heute gültiges neues Koordinatensystem gegeben hätte, würde sich trotzdem wahrscheinlich niemand außer Altphilologen für diese Nachdichtung der nordischen Sage als Versepos interessieren. Tolkien erzählt die Geschichte von Sigurd, der in germanischen Sagen Siegfried heißt, und von Gudrón, von den Völsungen und den Nibelungen in Form zweier Langgedichte, die mehr als 500 Strophen lang sind, neu.

Die englische Originalfassung hat Tolkiens Sohn Christopher 2009 erstmals herausgegeben. An diesem Freitag erscheint "Die Legende von Sigurd und Gudrón" (560 Seiten, 24,90 Euro) bei Klett-Cotta in einer zweisprachigen Fassung. Auch durch die Übersetzung von Hans-Ulrich Möhring schimmert die Dramatik, die Tolkiens Stabreime prägen. Fantastische Welten öffnen sich in Versen wie: "Hervor kam FÖfnir / Feuer schnaubend, / den Berg hinunter / blies er giftgen Dunst."

Die "Hobbit"-Verfilmung kommt nicht voran

Christopher Tolkien zitiert in seinem Vorwort von "Die Legende von Sigurd und Gudrón" seinen Vater nicht nur mit Passagen, in denen dieser verriet, dass er schon als Kind die Sagenwelt des Drachentöters Sigurd mehr schätzte als das Land Merlins und Artus', sondern auch aus einem Brief, den J. R. R. Tolkien, im Dezember 1937 an einen Freund schrieb: "Vom ,Hobbit' halte ich selbst nicht viel. Meine eigene Mythologie (die nur gestreift wird) mit ihrer einheitlichen Nomenklatur ist mir lieber (...) als dieses Kuddelmuddel von Zwergen mit eddischen Namen aus der ,VöluspÖ', frei erfundenen Hobbits und Gollums (das Produkt einer Mußestunde) und angelsächsischen Runen."

Darüber, welche Meinung Tolkien über Peter Jacksons Vorhaben gehabt hätte, diesen "Hobbit" als Zweiteiler ins Kino zu bringen, sollte man besser nicht spekulieren. Allerdings darf man davon ausgehen, dass Jackson, der sich bei der Verfilmung von "Herr der Ringe" als Spezialist für Tolkiens Mythologie erwiesen hat, eine ähnlich erstaunlich fantastische und in sich geschlossene Kinowelt erschaffen wird wie in dem anderen Mittelerdeepos.

Vorausgesetzt, das Projekt nimmt irgendwann einmal tatsächlich Gestalt an. Denn die "Hobbit"-Verfilmung kommt zurzeit nicht voran. Nachdem Guillermo del Toro aus dem Projekt ausgestiegen ist - nach Anraten von James Cameron, wie es in der Branche heißt -, wird noch nach einem neuen Regisseurs gesucht. Peter Jackson, der die "Herr der Ringe"-Filme selbst inszeniert hatte, wollte eigentlich nur produzieren und nicht selbst auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Doch weil er mit seiner Dominanz jeden Regisseur früher oder später abschrecken wird, dürfte ihm nichts anderes übrigbleiben, als doch selbst wieder Regie zu führen. Darauf hatten die Fans sowieso von Anfang an gehofft.

Und Fans werden sich auch über das Gerücht freuen, dass das Filmstudio Universal einen "Herr der Ringe"-Freizeitpark plant. Im Juni wurde gerade in Orlando in Florida "The Wizarding World of Harry Potter" als Teil der "Universal's Islands of Adventure" eröffnet. Wo und wann der Mittelerde-Vergnügungspark entstehen soll, ob ebenfalls in Florida oder besser in Neuseeland, wo Jackson die "Herr der Ringe"-Filme gedreht hat, ist bisher nicht bekannt. Als mögliche Attraktionen wurden aber schon Bilbos Hobbitbehausung, die Festung von Isengard oder die Schicksalsklüfte ins Gespräch gebracht.