Seine Stimme, seine rauen, lang gezogenen Schreie, erkennt man augenblicklich und auf der ganzen Welt. Der Star Joe Cocker ist beim SWR-Sommerfestival aufgetreten. Foto: Steffen Schmid

Legendärer Besuch auf dem Stuttgarter Schlossplatz: Joe Cocker eröffnet Sommerfestival.

Stuttgart - Am Freitag ist das SWR-Sommerfestival auf dem Schlossplatz eröffnet worden. Nach dem Auftritt von Joe Cocker stehen in den kommenden Tagen Konzerte von Jan Delay, David Garrett, eine Schlagerparade und als Abschluss ein Konzert von Herbert Grönemeyer auf dem Programm.

Seine Stimme, seine rauen, lang gezogenen Schreie, erkennt man augenblicklich und auf der ganzen Welt. Der Star Joe Cocker trat in Woodstock auf - und ist einer der wenigen Musiker, die beim berühmtesten Festival aller Zeiten dabei waren und die noch immer auf den Bühnen spielen. Legendärer Besuch also auf dem Stuttgarter Schlossplatz am Freitagabend, beim Sommerfestival des Südwestrundfunks.

Allerdings ist Cocker auch ein Künstler, der kein seltener Gast auf Deutschlands Bühnen ist. Der Sommer, so schien es, hatte sich gerade rechtzeitig zu Cockers Eintreffen aus der Stadt verabschiedet. Mit nur 5000 Besuchern war das Konzert auf dem Schlossplatz keinesfalls ausverkauft, die Zuschauertribüne war nur zu Teilen besetzt.

Cocker und Band steigern sich in einen Rausch

Joe Cocker und seine Band kümmert das wenig: Der Mann aus Sheffield lässt einen seiner berühmten Schreie hören und ruft ihn harsch zurück, den "Summer in the City" - fantasiebegabt, wer glaubt, dass danach eine warme Brise über den Platz weht, aber die Wolkendecke scheint tatsächlich ein wenig aufzureißen.

Cocker hat nur wenige Stücke seines aktuellen Albums "Hard Knocks" im Programm, dafür etliche der Klassiker, die sich im Laufe der Jahrzehnte in seinem Repertoire angesammelt haben - das beginnt schon früh am Abend mit "Feelin' Alright", einem Stück, das von seinem ersten Album stammt und das als Stimmungsmacher immer taugt. Kaum an Popularität eingebüßt in all den Jahren hat auch "The Letter" - von dort aus geht es zu den großen Hits der 1980er und 1990er Jahre und zu den Balladen. Abstriche gibt es wie immer bei dem unvergessenen Filmduett "Up where we belong", denn gegen die zarte Stimme der Jennifer Warnes kommt keine Soulröhre an. Und bei "You are so beautiful" zieht Cocker, wie gewohnt, den letzten Ton des letzten Refrains mit gekonnt brechender Reibeisenstimme sehr lange hinaus.

Mit nun 67 Jahren könnte Joe Cocker, ein gelernter Gasinstallateur, der zu Beginn der 1960er Jahre mit diversen Bands durch England tingelte und in Woodstock seinen großen Durchbruch erlebte, der Großvater manch eines Stuttgarter Zuschauers sein. Und so sieht er auch aus, seit Jahren trägt er kein Batikshirt der Hippie-Ära mehr, sondern ein schwarzes Hemd. Dafür kann er singen. Von so einem erwartet man nicht, dass er jung und schön ist. Seine Stimme klang vor 42 Jahren schon so, dass man hörte: Der hat gelebt. Freilich ist Cocker längst zahmer geworden, der Aufschrei, den man heute bejubelt, ist nichts, verglichen mit jenem von damals. Aber er liebt es, die alten Zeiten zu zelebrieren, mit seinem größten Hit "With a little Help from my Friends". Der Song beginnt mit einem Orgelsolo, später hört man den Schlagzeuger hinter seinem Drumset toben, die Gitarre setzt ein, man sieht die Finger einer Bassistin über die Saiten hüpfen und erlebt, wie Cocker und Band sich noch einmal in diesen Rausch hinein steigern.

Auf die Zugabe lässt Joe Cocker sein Publikum keine Minute warten - er ist zurück, mit dem zweiten Hit, den er sich von den Beatles lieh, jenem, den er selbst erst bekannt machte: "She came in through the Bathroom Window". Noch einmal holt die Band aus, noch einmal singen die Backgroundsängerinnen ihren Soul, und Joe Cocker, von den Kameras fast immer frontal eingefangen und auf die Leinwände projiziert, holt noch einmal Luft, breitet in seiner berühmten Gestik die Arme aus - und schreit.