Jennifer Lawrence bei der Panem-Premiere in Paris. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie mit Filmszenen. Foto: EPA

„Was ist los in Deutschland? Spioniert man euch aus?“ , fragt Lawrence im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.

Als Autodidaktin debütierte Jennifer Lawrence als Sechzehnjährig in Fernsehserien wie „Monk“ und „Cold Case“. Erste Aufmerksamkeit erregte Lawrence als Filmtochter von Kim Basinger im Drama „Auf brennender Erde“. Zu frühen Oscar-Ehren brachte es die nun 23-Jährige mit „Silver Linings“.
Paris – Ms. Lawrence, wie gehen Sie mit den Schlagzeilen um, die der Erfolg von „Panem“ und der Oscar mit sich bringen?
Das ist einfach. Zum einen lese ich sie nicht. Außerdem weiß ich, wie das alles funktioniert, und ich dramatisiere es nicht. Das passiert nun mal, wenn man im Rampenlicht steht. Die Menschen fotografieren dich mit einem Ring an der linken Hand und es heißt, du bist verlobt. Du hast einen Blähbauch vom Essen und schon bist du angeblich schwanger. Ich habe gesehen, wie das vielen anderen Prominenten widerfahren ist, deshalb bin ich auch nicht überrascht, wenn es mich trifft. Ich empfinde auch keinen Druck. Ich kann nichts weiter tun, als mir selbst treu zu bleiben und weiterzuarbeiten, solange man mich noch engagiert.
Empfinden Sie als Vorbild vieler junger Frauen eine Verantwortung?
Absolut. Die Vorbildrolle sucht man sich nicht unbedingt selbst aus, ich habe es jedenfalls nicht getan. Trotzdem bin ich in den Fokus einer jüngeren Generation gerückt. Sie hören mir genau zu, deshalb empfinde ich eine große Verantwortung dafür, was ich tue oder sage.
In den „Panem“-Geschichten geht es auch darum, wem man vertrauen kann und wem nicht. Wie treffen Sie diese Unterscheidung?
Ich lebe in einer kleinen Blase, die meine Realität darstellt. Ich kenne alle Leute, mit denen ich arbeite, seit meinem 16. oder 17. Lebensjahr. Dann sind da noch meine engen Freunde, die ich seit Kindertagen habe, und meine Familie. Diese Menschen sind meine Lebenswirklichkeit. Für die Leute von außerhalb habe ich, wie die meisten Frauen, einen geheimen „Bullshit“-Detektor. Er ermöglicht es mir, geliebte Menschen vor Leuten zu warnen, die Schlangen sind.
Ihre Filmfigur ist sehr mutig. Entspricht das Ihrem Wesen? Wovor fürchten Sie sich?
Ich habe Angst davor, jemandem mein Vertrauen zu schenken, der es nicht verdient. Und ich fürchte die Auswirkungen, die das Ganze hier auf meine Familie und die Leute in meinem Umfeld hat. Dieser Job ist so ein Segen, aber in mancherlei Hinsicht auch ein Handicap. Manchmal wird es wirklich schlimm. Dann fürchte ich mich davor, jemand könnte mir seine Liebe entziehen, weil er es nicht mehr ertragen kann. Man freut sich darauf, ins Kino zu gehen, aber dann warten dort fünfzig Menschen und man muss umkehren. Ich kann damit umgehen, aber was ist, wenn es jemand anders nicht kann? Ich würde das verstehen. Das ist wahrscheinlich meine größte Angst.
Mit Ihrer neuen Frisur sehen Sie völlig anders aus als im Film. Wollen Sie sich so tarnen?
Es ist sicherlich ein Bonus. Ich bin mit Delta hierher geflogen und nicht ein einziger Mensch hat mich erkannt. Wahrscheinlich sollte ich meine Frisur ständig ändern.
Die Tribute von Panem“ zeigt, wie die Massen durch eine Einzelperson oder ein korruptes Regime manipuliert werden können. Wie fühlen Sie sich mit dem Wissen, dass die Regierung uns alle ausspioniert?
Sie sind der dritte Interviewer, der mir diese Frage stellt. Was ist los in Deutschland? Spioniert man euch aus?
Ja, ein US-Geheimdienst hat sogar das Handy unserer Kanzlerin abgehört.
Das erzählt man uns natürlich nicht. Dann muss ich Ihnen im Namen meines Landes mein Bedauern ausdrücken.
Fühlen Sie sich in den Staaten sicher und gut informiert?
Ich fühle mich sicher, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Ich lese die Zeitung und phasenweise habe ich das Bedürfnis, gut über das Weltgeschehen Bescheid zu wissen. Auf der anderen Seite bin ich 23 Jahre alt und nicht wirklich interessiert. Wenn ich meinen Fernseher einschalte, weiß ich, dass ich die Nachrichten anschauen sollte. Stattdessen lande ich dann meistens bei dem Sender Bravo. Ich bin nicht sehr gut informiert. Die ganze Wahrheit werden wir ohnehin nie erfahren, oder?
Manche Ihrer Kollegen behaupten, beim Dreh intensiver zu leben. Teilen Sie diese Ansicht?
Nein! Das wäre dann doch zu heftig. Ich arbeite viel, aber ich habe zwischendurch auch Spaß. Ich begebe mich nur für Minuten an den emotionalen Platz, den ich in einer Szene erreichen muss. Danach verlasse ich diesen Ort so schnell wie möglich, um zu lachen und Spaß zu haben. Um mich wieder wie ich selbst zu fühlen. Zu Hause denke ich nie an die Arbeit. Tatsächlich ist das sogar ein Problem. An meinem Feierabend vergesse ich völlig, was am nächsten Tag von mir gefordert werden wird.
Wie können Sie dann so überragend spielen?
Danke schön! Ich weiß nicht. Jemand sagt mir, ich soll schauspielern und man lässt mir keine Wahl.
Wie haben Sie die Oscar-Nacht erlebt?
Ich war ziemlich durcheinander. Ich hatte vergessen, zu Hause noch etwas zu essen und war mächtig hungrig. Es war ein wirklich unglaublicher Moment, der durch die Tatsache in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass ich eine Bauchlandung hingelegt habe. Es war, als hätte ich einen Filmriss auf der Bühne. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und habe sogar vergessen, dem Regisseur und Harvey Weinstein zu danken. Ich musste am nächsten Tag wieder an den Drehort von „Panem“ fliegen. Meine Freunde erwarteten mich zu Hause, sie haben Pizza bestellt. Also bin ich schnell nach Hause gefahren, habe Pizza gegessen und bin früh zu Bett gegangen.
Bisher sind wohl alle Ihre beruflichen Träume in Erfüllung gegangen. Sind Sie auch auf schlechtere Zeiten vorbereitet?
Ich schätze mich sehr glücklich. Ich bin 23 Jahre alt, und die meisten meiner gleichaltrigen Freunde wissen noch nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Ich habe das Glück, zu wissen, was ich machen möchte. Und ich darf diesen Job, den ich so liebe, tatsächlich ausüben. Wenn man dann auch noch dafür bezahlt wird, kann man schon von einem Traum sprechen. Sollte es von hieraus nur noch bergab gehen, ist das auch in Ordnung. Ich hätte kein Problem damit, wieder ein einfacheres Leben zu führen, ohne die Aufmerksamkeit der Menschen.