Sie beherrscht die alte Bühnenschule der Gestik und Mimik: Die Ausnahmesängerin Indra Rios-Moore am Freitagabend im Bix Foto: Opus/Peter Steinheißer

Zweiter Abend, erste Überraschung: Das Festival Jazz Open bleibt seiner Tradition treu und hatte schon am Freitagabend im Jazzclub Bix eine Entdeckungen zu bieten – die Stimmartistin Indra Rios-Moore.

Stuttgart - In den USA wäre sie vielleicht eine unter vielen geblieben. Die New Yorkerin Indra Rio-Moore aber ging mit ihrem Mann, dem Saxofonisten Benjamin Traerup (Saxofon), in dessen Heimat Dänemark – und in Europa stach die Tochter des Jazz-Bassisten Don Moore und einer puertoricanischen Sozialarbeitern sofort heraus.

Beim Festival Jazz Open verzückt sie am Freitagabend im prallvollen Bix die Menschen mit dem virtuosen Einsatz ihrer Stimme. Artikulation und Modulation sitzen bis in die feinsten Details, während sie mit feiner Intonation singt, jubiliert, säuselt und quiekt. Große Songs von George Gershwin, Steely Dan, Duke Ellington und Curtis Mayfield interpretiert die Stimmartistin auf sehr eigene Weise, einer aber sticht besonders heraus: Wie Indra-Rios-Moore aus David Bowies „Heroes“ mit großem Esprit eine einfühlsame Soul-Ballade macht, das hat wirklich Klasse und ist eine Huldigung der besonderen Art. Danach holt sie auch noch Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ mit sanfter Beharrlichkeit runderneuert aus der Mottenkiste.

Sie schmiegt sich an die Musik an

Rios-Moore beherrscht die alte Schule der Mimik und Gestik, die die großen Swing-Diven auszeichnete, mit einem Augenaufschlag hier, einer anmutig nach oben gespreizten Hand dort oder einfach nur einem verschmitzten Lächeln verleiht sie ihrer Gesangsdarbietung enorme Präsenz. Spielerisch erzeugt sie Stimmungen, bruchlos gleitet sie von überbordender Fröhlichkeit in melancholische Tiefe. Sie schmiegt sich an die Musik an, hüllt sich in sie ein, und das dänische Trio um ihren Mann – Thomas Sethjen am Kontrabass, Knuth Finsrud am Schlagzeug – erweisen sich als präziser Minimalist, der Rios-Moore den perfekten Hintergrund bereitet, nie zu stark in den Vordergrund tritt und dabei doch mit wunderbaren Akzenten für Abwechslung sorgt.

Durchweg ist zu spüren, wie ernst es Indra Rios-Moore ist mit ihrer Musik und mit einer Form warmer Menschlichkeit, die sie in der Gegenwart vermisst. „Wie erzieht man eigentlich Kinder, wenn man auf der Flucht ist?“, fragt die Sängerin, „was sagt man ihnen, wenn sie fragen ob es noch weit ist und wann sie endlich da sind?“ Dann wünscht sie allen heimatlos durch die Welt Treibenden mit einem kleinen, gesungen Gebet Glück – wenn sie nur die Gelegenheit bekäme, diese Nummer bald einmal in der CSU-Parteizentrale vorzutragen.