Jane Fonda blickt auf einen große Karriere zurück – und nach vorn. Foto: dpa

Sie war schon Sexkätzchen des Kinos, eine Kämpferin für Emanzipation und gegen den Vietnamkrieg, Aerobic-Trainerin und Gattin eines Medienunternehmers: Aber eigentlich ist Jane Fonda immer eine Frau auf klarem Weg gewesen: an den Männern vorbei nach vorn.

Hollywood - An jeder Ecke in den USA in den USA finde man Pornografie, sagte die 80-jährige Schauspielerin Jane Fonda gerade im Interview, aber verrückterweise sei das Thema Sex dort immer noch ein Tabu. Die Frau weiß, wovon sie spricht, denn Sex Appeal, das Spiel mit männlichen Begierden und das Rütteln an weiblichen Selbstbildern sind wichtige Elemente ihrer langen Karriere.

Als Fonda in das verwegene Glitzerkostüm der durchgeknallten Science-Fiction-Groteske „Barbarella“ schlüpfte und den männlichen Kinobesuchern das Jahres 1968 die Augen damit aus dem Kopf drückte, dass sie sich auf der Leinwand in Macho-Fantasien räkelte, da schien sie eine konsequente Entscheidung getroffen zu haben: als Lustobjekt nach ganz oben zu kommen. Die Tochter des Hollywood-Stars Henry Fonda hatte zwar schon einige interessante Filmrollen hinter sich, aber die größte Aufmerksamkeit hatte sie 1965 mit ihrer Rolle im Western „Cat Ballou“ erregt: Als angehende Lehrerin, die zum Outlaw wird und so sehr viel mehr Spaß im Leben hat.

In der Orgasmusmaschine

Aber mit den knalligen Kinobildern ist es so eine Sache: Manchmal zeigt der zweite Blick mehr als der erste. Der erstaunte Blick von Fonda in vielen Rollen ist nicht naiv-bewundernd. Er scheint in vielen Dilemma eine erstaunte, manchmal enervierte Frage an die damalige Männerwelt zu stellen, die man auf die Leistung im Bett wie auf die Leistung bei der Weltlenkung beziehen kann: „Echt jetzt, das war schon alles“.

Wenn die Weltraumheldin Barbarella in eine Orgasmusmaschine gesteckt wird, die sie mit elektrischen Dildos zu Tode vergewaltigen soll, kann man das als männliche Unterwerfungsfantasie deuten – und den Umstand, dass Barbarella sich gegen aufkommende Lust nicht wehren kann, darf man natürlich als besonders perverse Missachtung der Frau sehen. Man kann vom Ende her aber auch alles umgekehrt deuten: Barbarellas Unersättlichkeit bringt den Apparat erst an seine Grenzen und dann zum Zusammenbruch. Will heißen: die neue sexuelle Revolution entfesselt in den Frauen eine Kraft, der die Männer nichts entgegenzusetzen haben.

Reise nach Hanoi

Im großartigen Krimi „Klute“ (1971), in dem Donald Sutherland einen Privatdetektiv spielt, gibt Jane Fonda eine Edelprostituierte. In einer Schlüsselszenen schlafen die beiden miteinander, Fondas Figur stöhnt lustvoll – aber mitten in der scheinbaren Ekstase schaut sie hinter dem Rücken ihres Partners plötzlich kühl und abschätzig auf die Uhr, eine später immer mal wieder kopierte Szene. Männliche Potenz wird von den Fonda-Figuren immer in Frage gestellt.

Aber der Widerstand dieser Frau blieb nicht auf Zweierbeziehungen beschränkt. Ausgerechnet Fonda, deren Bild in vielen Soldatenspinden hing, wurde eine besonders prominente Gegnerin des Vietnamkriegs. Sie beließ es nicht bei der Teilnahme an Protestmärschen, sie reiste nach Nordvietnam, ließ sich dort als Ehrengast feiern und posierte auf einem Flugabwehrgeschütz. Bei den Konservativen hatte sie den Spitznamen „Hanoi Jane“ weg und wurde zur Hassfigur. Manche haben ihr bis heute nicht vergeben, auch wenn sie in mehr als einem Interview eingestand, sie sei damals wohl zu weit gegangen.

Fitness und Politik

Jane Fonda war aber nicht nur eine Symbolfigur der Spaltung des Landes. Sie lieferte auch ein kräftiges Bild für die Verdrängung dieser politisch bewegten Phase in der Epoche danach. Auf der großen politischen Bühne dröhnte der Präsident gewordene Ex-Schauspieler Ronald Reagan wieder von Stolz und Stärke Amerikas. Jane Fonda aber begab sich ins Fitness-Studio, wurde die Vorturnerin der Aerobic-Bewegung und verkaufte weltweit Millionen Videokassetten.

Eine Theorie besagt, auch diese Heimkinotechnologie sei zwar zuerst von Pornofilmen angeschoben worden. Das nächstwichtige bei der massenhaften Verbreitung dieser Technologie seien dann aber nicht Spielfilme gewesen, sondern Fondas Aerobic-Lektionen. Der Videorekorder habe so auch in Haushalte vordringen können, in denen die Ehefrauen den teuren Technikspielereien der Männer sonst zähen Widerstand entgegengesetzt hätten. Als Abspielmaschine für „Jane Fonda’s Workout" waren die klobigen Geräte willkommen. Ob das stimmt oder nicht, eine politische Botschaft heftete sich so oder so an diese Turnstunden: die Zeiten der jugendlichen Kämpfe gegen das Establishment waren vorbei, die Frauen dieser Generationen hatten jetzt entschlossen gegen das Älterwerden zu kämpfen.

Täglich kneifen

Als Fonda 1991 den Medienunternehmer Ted Turner, den Gründer des Nachrichtensenders CNN, heiratete, da war der eigene Durchmarsch ins Establishment sichtlich geglückt. Die Beobachter waren sich nur uneins in der Beurteilung dieses neuerlichen Aufstiegs: War da eine Emanzipierte, deren Zugkraft an der Kinokasse dahingeschwunden war, schmählich eingeknickt und zur klassischen Trophäenfrau eines erfolgreichen Mannes geworden? Oder hatte sich da eine vielen liberalen Anliegen verbundene Kämpferin in eine Position gebracht, in der sie die Meinungsbildung in den USA sehr viel nachhaltiger beeinflussen konnte als durch ein Megafon bei einer Demo?

Von Ted Turner ist Fonda seit 2001 wieder geschieden. Ihre Karriere aber hat sie wiederbelebt, und das konsequent gegen die Erwartungen einer Medienindustrie, die älteren Frauen nur die Rollen der fürsorglichen Oma oder der hinfälligen Greisin anbieten möchte. In Aaron Sorkins großartiger TV-Serie „The Newsroom“ etwa hat sie von 2012 bis 2014 die Rolle einer taffen Medienunternehmerin gespielt. Danach wurde sie bei Netflix mit der Komödienserie „Frankie and Grace“ an der Seite von Lily Tomlin erfolgreich. Im Interview mit unserer Zeitung zu ihrem neuen Kinofilm „Book Club“ sagte sie gerade: „Ich kneife mich fast täglich, weil ich es nicht glauben kann, wie meine Karriere gerade verläuft.“ Aber eigentlich setzt sie ja nur um, was sie sich sichtlich sehr früh schon vorgenommen hatte: Es besser zu machen als die Männer.