Jan Lisiecki Foto: Holger Hage/ Universal Music

In der Stuttgarter Liederhalle haben Jan Lisiecki und das Orpheus Chamber Orchestra Mendelssohns Klavierkonzerte gespielt.

Stuttgart - Er war kein Wunderkind, wohl aber so etwas wie Wunder-Jugendlicher, den die Deutsche Grammophon schon als 15-Jährigen exklusiv unter Vertrag nahm. Jetzt ist Jan Lisiecki 24, hat mit dem wohl basisdemokratischsten Ensemble der Welt, dem US-amerikanischen Orpheus Chamber Orchestra, die vor lauter kleinen, schnellen Noten schier überquellenden zwei späten Klavierkonzerte des einstigen Wunderkindes und Wunderjugendlichen Felix Mendelssohn auf CD aufgenommen und tourt mit diesen Werken, dem Ensemble und etlichen Silberscheiben im Gepäck durch Deutschland.

Bei der Station am Freitagabend im ausverkauften Beethovensaal gab es neben Licht indes auch Schatten. Das erste Konzert, von dem technisch versierten, nicht fehlerlos spielenden, aber ungemein fingerflinken polnisch-kanadischen Pianisten stürmisch, jugendlich, in seiner kristallinen Klarheit fast „mozartisch“ genommen, versöhnte zumal bei schönen gemeinsamen Momenten des Mittelsatzes mit den Defiziten, die zuvor beim zweiten Klavierkonzert den Eindruck trübten. Hier wie dort gab es wundervolle Passagen der Durchdringung und der Durchleuchtung. Dem Mehr an Ausdruck im späteren Werk wurde die Darbietung indes nicht vollends gerecht. Das lag einerseits am Orchester, das – aus Mangel an Interesse oder an Konzentration? – hier einige Unsauberkeiten produzierte und zudem an Zwischentönen im Dialog kein übermäßiges Interesse an den Tag legte. Es lag aber auch am Solisten selbst, den der Klang und die Beweglichkeit des gestalteten Einzeltons weniger interessierten als größer dimensionierte Entwicklungen und wirkungsvolle Kontraste – wobei er Letztere oft nur unzureichend vorbereitete.

Manches, was Lisiecki mithilfe der Dynamik ausformte, hätte durch klangfarbliche Verfeinerung stärker gewonnen. Im langsamen Satz ist dies immerhin teilweise gelungen. Aber der Rest? Zumindest derjenige, der die fast zeitgleich auf den CD-Markt gekommene Aufnahme von Mendelssohns zweitem Klavierkonzert durch das Freiburger Barockorchester und Kristian Bezuidenhout (auf dem Hammerflügel) gehört hat, weiß, dass auch in der Musik das (gut servierte) Wenige oft sehr viel mehr sein kann.