Er kämpft um jede Stimme: Jan Böhmermann Foto: dpa

Mit einem Netz-Countdown hat Jan Böhmermann am Mittwochabend wieder all seine Fans und Hasser schwer beschäftigt. In der aktuellen Ausgabe vom Magazin Royale am Donnerstag hat er nun nachgelegt und endgültig gezeigt: Er will uns schlicht und einfach zur Europawahl treiben. Kann man ihm das übel nehmen?

Köln - Es soll ja Leute geben, die von der jüngsten Jan-Böhmermann:-ich-mach-Euch-alle-rallig-Aktion namens „Dotheyknowitseurope.eu“, seit Mittwochabend nach einem Countdown freigeschaltet, schmählich enttäuscht waren. Sie werden kaum gnädiger gestimmt sein, seitdem der Satiriker in seinem aktuellen Neo Magazin Royale nun auch die ganze Geschichte präsentiert hat: Komiker aus ganz Europa haben sich zusammengeschlossen, die Welt zu retten: „Comedians for World Peace“. Wenn man vorher die Erwartung hatte, Böhmermann würde in seinem „Europa Spezial“ stattdessen endlich jene Teile des Ibiza-Videos veröffentlichen, die uns „Süddeutsche“ und „Spiegel“ vorenthalten und wo es angeblich erst so richtig schmutzig und versaut zur Sache geht, ja, dann kann man wohl auch tatsächlich nicht anders als genervt sein.

Aber alle anderen, einfacher gestrickten Gemüter (der Autor hier gehört dazu) sind stattdessen schlicht und einfach gerührt über diesen Chor ulkiger Gestalten aus vieler Herren Länder, die da im witzig montierten Szenensalat nach und nach auftreten, alle nicht wirklich singen können, und doch eine gemeinsame Botschaft haben: „Alone, we are alone“ – wenn wir allein für uns bleiben, dann haben wir zwar alle unseren ganzen nationalen Schnickschnack, von landestypischen Schnäpsen über Kultfußballern bis hin zu Serienhelden, Tänzen und Weisen, aber wir sind eben auch einfach für uns, mehr nicht. Und Stärke und Kraft und Witz und Hoffnung und Gemeinschaft gibt es nur zusammen. „Europa ist groß und Deutschland ist klein, und so soll es für immer sein“. Mit Verlaub: das ist die ultimative Absage an jedweden rechtspopulistischen Nationalitätenquatsch. Das ist die ultimative Hymne des Europabürgers. Wir sind bewegt.

AfD-Wähler sollen ganz viel Kreuze machen

Auch sonst sind Böhmermanns Magazine im Moment halbe Fortbildungslehrgänge in Staatsbürgerkunde. Wohl zehn Mal fordert der Moderator sein Publikum auf, am Sonntag zur Europawahl zu gehen. Natürlich auch immer mit doppeltem Boden: „Und wenn Sie AfD wählen wollen, weil sie so wütend sind, dann machen Sie bitte unbedingt auf ihrem Stimmzettel drei Kreuze bei der Partei und malen noch ein Herz drumherum und streichen alle anderen Parteinamen dick durch“. Schelmisch fragt er dann in Richtung Orchester: „Kann ich eigentlich für diesen Witz rechtlich belangt werden?“ Jetzt, da klar ist, dass es ein Witz war, wohl nicht mehr.

Und auch das Grundgesetz wird zum 70. Geburtstag wieder ausgiebig gefeiert. „Grundi“ ist im Studio und bekommt ein „Happy Birthday“-Ständchen. Bei der Gelegenheit unser Lieblingsspruch des Abends: „Alles, was man für ein solch tolles Grundgesetz braucht, sind zwei verlorene Weltkriege“. Ganz ehrlich: Besser kann es kein Leitartikel ausdrücken. Und lachen muss man noch obendrein.

„Alone, we are alone“: auch das sitzt jetzt fest bei uns im Ohr. Jetzt müssen wir nur noch abwarten, welche Witze kommenden Donnerstag bei Böhmermann anstehen – nicht mehr drei Tage vor, sondern vier Tage nach der Europawahl.