Die James-Simon-Galerie, vom Kupfergraben aus betrachtet, mit dem Pergamonmuseum Foto: Ute Zscharnt/ Chipperfield Architects

Die Berliner Museumsinsel hat endlich ein attraktives Empfangsgebäude: die James-Simon-Galerie des Architekten David Chipperfield. Die formale Offenheit des Baus ist auch ein kulturpolitischer Appell.

Berlin - Meilenstein, Quantensprung und Schlussstein – der Griff in die Kiste rhetorischer Superlative scheint zur feierlichen Eröffnung der James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel nicht limitiert gewesen zu sein. Und für Begeisterungsäußerungen muss sich tatsächlich niemand schämen, denn das vom britischen Architekten David Chipperfield und seinem Team erschaffene Gebäude, das als großzügiges Eingangsportal zu den Schätzen der Museumsinsel dienen soll, überzeugt durch formale Schlichtheit und luftige Eleganz.

In der Mitte Berlins ist auf eher unauffällige Weise ein aus der Kulturlandschaft herausragendes Gebäude entstanden, welches das Raumgefühl der Stadt in den kommenden Jahrzehnten prägen wird. Gut möglich, dass hier auch ein attraktiver Treffpunkt der Stadtgesellschaft entsteht. Die Kritik der vergangenen Jahre ist angesichts der leuchtend weißen Pfeiler seltsam verstummt. Der Blick von der Terrasse ist überwältigend und steigert die Aussicht von Repräsentanten und Passanten, gesehen zu werden.

Brücke zwischen Stadt und Museum

Chipperfield ist zudem das Kunststück gelungen, dem historisch so bedeutsamen Bauensemble der Museumsinsel ein Gebäude hinzuzufügen, das sich bei aller Auffälligkeit durchaus bescheiden zurückzunehmen weiß. Weil er die Erfahrung gemacht habe, so Chipperfield, dass man die Sammlungen großer Museen selbstverständlich hinnehme, aber den eigentlichen Kontakt zu ihnen schnell verliere, habe er zwischen der Stadt und den Museen eine Brücke errichten wollen, die die Aufbewahrungsorte der Kunstschätze präsent halte. Das ist ihm gelungen. Sobald man sich in der James-Simon-Galerie befindet, versteht sie es einerseits, sich glorios zu inszenieren, und verweist andererseits auf beinahe jedem Quadratmeter auf ihre dienenden Funktionen.

In der Sprache der Museumsmacher heißt das: Die James-Simon-Galerie ist das zentrale Empfangsgebäude der Museumsinsel, es geht um Ticketverkauf und Personenführung in einem beeindruckenden Museumskomplex. Zum Raumkonzept gehören ein weitläufiger Museumsshop, eine auch außerhalb der Öffnungszeiten zugängliche Gastronomie sowie ein stattliches Auditorium für Publikumsveranstaltungen.

Die in der ursprünglichen Anordnung sich eher voneinander abwendenden Häuser werden durch die James-Simon-Galerie räumlich, aber auch konzeptuell miteinander verbunden. Der Architekt hat gewissermaßen nur eine moderierende Aufgabe übernommen. Damit aber hat er sich eingeschrieben in die Architektursprache der Mitte Berlins, denn schon jetzt kann man die vom Boulevard Unter den Linden her leicht zu erkennende Galerie als kleine, elegante Schwester des tapsig wirkenden Schlossbunkers betrachten, der demnächst als Humboldt-Forum eine wichtige Inspirationsquelle der Nation sein soll.

Der Mann hinter Nofretete

Die Errichtung kultureller Prachtbauten, wie reflexiv sie auch immer daherkommen mögen, bedeutet in Berlin und für Berlin immer auch die Bearbeitung einer historischen Wunde. In diesem Fall verweist der Name James-Simon-Galerie eben nicht nur auf einen lange vernachlässigten Mäzen und sozialpolitischen Reformer Berlins, sondern auch auf die Vertreibung und Auslöschung des jüdischen Bürgertums während der Zeit des Nationalsozialismus. Das ehrliche Bemühen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ihrem frühen Gönner gerecht zu werden, hat daher alle Anerkennung verdient: Simon hat mit seinen Schenkungen, darunter die berühmte Porträtplastik der Nofretete, maßgeblich zum Umfang des preußischen Kulturbesitzes beigetragen, der der Stiftung als einziges Überbleibsel des preußischen Staats ihren Namen gegeben hat.

Die formale Offenheit des Chipperfield-Baus weist auch auf ein Kulturverständnis hin, das mehr in Kategorien des Austauschs als – Stichwort: Kolonialkunst – des Herzeigens von Trophäen denkt. Berlin darf sich freuen über das, was im Herzen der Stadt immer deutlichere Formen annimmt, aber auch eine kulturpolitische Verantwortung artikuliert.