Jagoda Marinić arbeitet als Autorin und Journalistin und leitet das interkulturelle Zentrum in Heidelberg. Foto: CrisBeltran/Cristina Beltran

Die Schriftstellerin Jagoda Marinić ist zu einer gewichtigen Stimme in der Integrationsdebatte geworden. Die Tochter kroatischer Einwanderer setzt sich auch für ein starkes Europa der gemeinsamen Werte ein.

Stuttgart - Was Jagoda Marinić im Jahr 2017 in einem Gastbeitrag in unserer Zeitung schrieb, klingt plötzlich aktueller denn je – in diesem März des Jahres 2022, in dem es wieder Krieg gibt in Europa. Marinić schrieb damals darüber, was Europa zusammen hält, woraus diese Gemeinschaft bestehen kann, wo sie gemacht wird, und was sie ausmacht. „Werte sind eine Basis, die nicht von einer einzelnen Nachricht zerstört werden kann“, schrieb Marinić unter anderem, und erinnerte an einen Wortbeitrag in einer Podiumsdiskussion, an der sie teilnahm: „Man darf seine Gegner nicht unterschätzen.“ Heute fragen sich viele: Haben wir Putin unterschätzt?

Jagoda Marinić ist die Tochter jugoslawischer Gastarbeiter aus Dalmatien. Geboren ist sie in Waiblingen und hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht mit einem ganz eigenen Ton in der Integrationsdebatte, genauso wie in den Diskussionen über Gleichberechtigung, Feminismus und die europäische Identität. Neben Essays und Erzählungen schreibt sie Theaterkritiken und Gastbeiträge in verschiedenen überregionalen Medien, unter anderem seit Beginn dieses Jahres eine vierzehntägliche Kolumne im „Stern“. Seit 2012 leitet sie das „Interkulturelle Zentrum“ in Heidelberg, das sich als ein Ort der kulturellen Teilhabe versteht und den Zusammenhalt sowie die Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte fördert.

Schriftstellerin mit einer klaren Sprache

Marinić formuliert oft provokant, zugespitzt, aber auch präzise. In ihrer aktuellen Kolumne im „Stern“ fragt sie: „Warum nur bestimmen sogenannte ,Big Men’ das Weltgeschehen? Und was sagt es aus, dass unser Gegengewicht Olaf Scholz heißt?“

Studiert hat Marinić, die in diesem Jahr 45 wird, Germanistik, Politikwissenschaft und Anglistik in Heidelberg. Ihr erstes Buch mit Erzählungen veröffentlichte sie 2001. 2006 erschien ihr erster Roman. Für ihre literarische Arbeit hat sie Preise und Stipendien bekommen. Marinić trat 2007 außerdem beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt an.

Aktuelle Positionen in Debatten

Seit Beginn der Coronapandemie hat sich Marinić immer wieder für die Gleichberechtigung der Frauen eingesetzt und vor dem Rückfall in alte Rollenmuster gewarnt. Und seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist Jagoda Marinić zu einer der zunehmend lauter werdenden Stimmen geworden, die davor warnen, wie grundsätzlich die Bedrohungen sind, die durch diesen Krieg auch Europa betreffen. In einem Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ schrieb sie über Putins Desinformationskampagnen: „Die Geschichtsverdrehungen sind nicht erst seit gestern in der Welt. Autoritäre Kräfte arbeiten seit Jahrzehnten daran, Europas Werteordnung auch durch Desinformation auszuhebeln. Der neue Krieg um die Ukraine ist nicht nur ein Angriff auf die Sicherheitsordnung Europas, er ist Ergebnis eines Kampfes gegen europäische Werte, der zu lange unterschätzt wurde.“