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Im süditalienischen Rosarno ist es zu einemAufstand von afrikanischen Saisonarbeitern gekommen. Die Schuld dafür wird der Mafia gegeben.

Rosarno - Im süditalienischen Rosarno ist es zu einem Aufstand von afrikanischen Saisonarbeitern gekommen. Die Schuld dafür wird der Mafia gegeben. Sie soll die als Tagelöhner eingesetzten Einwanderer regelrecht versklavt haben.

"Ich arbeitete täglich zwölf Stunden - für 25 Euro", sagt Ali aus dem Kongo. "Davon musste ich zwei Euro abzweigen, um morgens mit den Kollegen auf die Felder gebracht zu werden - zur Gemüseernte." Weitere fünf Euro musste der illegal in Italien lebende Einwanderer dem "Caporale" geben. Das sind Ausbeuter, die die Schwarzarbeiter vermitteln und dafür eine "Gebühr" verlangen. Jeden Tag.

Ali wohnte in Rosarno, einer armen Kleinstadt in Kalabrien, in der es in der vergangenen Woche zu schweren Krawallen unter den schwarzen Einwanderern gekommen ist. Die Bedingungen, unter denen sie leben, sind einfach unerträglich geworden. So musste Ali am Stadtrand mit zehn anderen illegalen Einwanderern in einer selbst gebauten Hütte aus Wellblech, Pappe und Plastikplanen hausen - ohne sanitäre Einrichtungen. Jetzt befindet er sich in einem Auffanglager der Regierung im Norden und wartet auf seine Abschiebung.

"Die Vorfälle in Rosarno beweisen, dass im Süden zu viele Illegale in Italien leben", erklärt Innenminister Roberto Maroni. Das ist nicht übertrieben. Die Caritas Italiana vermutet, das sich rund 500.000 Einwanderer ohne Papiere in Italien aufhalten. Rund die Hälfte von ihnen arbeitet schwarz auf den Feldern.

Die Sozialarbeiterin Maria Stani kritisierte den Innenminister: "Maroni sieht das Problem nur von der Seite des Einwanderungsgesetzes", erklärte die Caritas-Mitarbeiterin. "Sicher sind diese Menschen illegal hier, aber Tatsache ist, dass sie von der kalabresischen Mafia ausgenutzt und fast schon versklavt werden."

Stani und die italienischen Mafiaexperten sind überzeugt, dass die illegalen Einwanderer der kalabresischen Mafia mittlerweile unbequem geworden sind. "Man protestiert nicht gegen die Mafia" schreibt "La Repubblica". Der Umstand, dass die Schwarzarbeiter gegen ihre Lebensumstände aufbegehrten und gegen die ausufernden Arbeitszeiten sowie die schlechte Bezahlung protestierten, war für die Bosse wohl zu viel. "Wer gegen die Mafia rebelliert", weiß der katholische Geistliche Don Mario Fusto aus Rosarno, "der wird abserviert und hat keine Chance mehr."

Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen lokale Bosse in der Umgebung von Rosarno und im Ort selbst. Vermutet wird, dass sie zum einen die Bevölkerung gegen die Einwanderer aufgewiegelt und zum anderen eigene Leute auf die Schwarzarbeiter angesetzt haben. Dabei kam es zu regelrechten Hetzjagden: Hütten und Ställe wurden durchsucht. Auch Dutzende Einwohner beteiligten sich an der Verfolgung - sie gingen mit Traktoren, Gewehren und Schlagstöcken gegen die Tagelöhner vor . Fanden sie einen Einwanderer, schlugen sie auf ihn ein. "Szenen wie im Bürgerkrieg", titelte die Zeitung "Il Manifesto". Die Bilanz der schweren Auseinandersetzungen: 67 Verletzte - 31 Immigranten, 17 Einwohner sowie 19 Polizisten - sowie erheblicher Sachschaden.

"Der plötzliche Hass gegen diese Menschen, die hier seit Jahren leben, kann nur vor dem Hintergrund einer gezielten Mafiainitiative verstanden werden", sagt Don Mario. Die Bosse "beuten die Illegalen aus, aber die hatten zu schweigen". Als sie ihren Mund öffneten, "war es hier aus für sie". Der Priester findet es skandalös, dass die Regierung das Problem nur vor dem Hintergrund der Verletzung des Einwanderungsgesetzes sieht. "Dass Menschen unter solchen Umständen hier und in zahllosen anderen Ortschaften Süditaliens leben, ist eines EU-Landes unwürdig." Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen ist empört. Sie beklagt seit Jahren den Umgang mit illegalen Einwanderern in Süditalien. Das Rote Kreuz spricht von "moderner Sklaverei mit dem Segen der Mafia".

Die rebellischen Einwanderer aus Rosarno - rund 1100 Personen - wurden inzwischen mit Bussen in staatliche Auffanglager gebracht. Sie warten nun auf ihre Ausweisung. Damit ist das Problem für den Innenminister gelöst.

Kirchen und Sozialverbände fordern aber von der Regierung, dass sie sich endlich um die von der Mafia organisierte Schwarzarbeit und die Ausbeutung illegaler Einwanderer kümmert. Aber das ist ein unbequemes Thema. Der Mafiaexperte Luciano Violante bringt es auf den Punkt: "Auch viele süditalienische Politiker profitieren von dieser Situation."