Finanzminister Olaf Scholz sieht die hohe Verschuldung in vielen Teilen der Welt als Problem. Foto: dpa

Lange Zeit schien es so, als sei die Verschuldung kein Problem. Das ist ein Irrtum. Die Normalisierung der Geldpolitik entlarvt die Kurzsichtigkeit vieler Staaten, meint Wirtschaftsredakteur Roland Pichler.

Berlin - Immer klarer zeigen sich die schädlichen Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte sich zum Ziel gesetzt, mit der Nullzinspolitik den Euroländern Zeit für Reformen zu verschaffen. Abgesehen von den Ländern mit Hilfsprogrammen ist aber wenig passiert. Spanien, Griechenland und Zypern waren auf Mittel aus dem Rettungsfonds ESM angewiesen und mussten den Staatsapparat und Bankensysteme reformieren. Dort ist einiges in Bewegung geraten. Das sieht in den großen Euroländern Frankreich und Italien ganz anders aus. Mit der Weigerung der populistischen italienischen Regierung, die Verpflichtungen aus dem Europäischen Stabilitätspakt zu erfüllen, droht die Eurozone zurückfallen. Deshalb ist es richtig, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) den Blick auf die Verschuldung der Länder lenkt. Der IWF reagiert leider spät. In der Vergangenheit stand in der Washingtoner Institution solides Haushalten nicht gerade hoch im Kurs. Inzwischen merkt der IWF, dass die Verschuldung einer Zeitbombe gleicht.

Deutschland hebt sich positiv ab

Die meisten Staaten haben die ultralockere Zinspolitik nicht genutzt, um ihre Schulden zu senken. Im Gegenteil. Die Verbindlichkeiten erreichen neue Höchststände. Das gilt für die Industrieländer wie die USA, Frankreich, Italien und Japan, aber auch für viele Entwicklungs- und Schwellenländer. Mit der Normalisierung der Geldpolitik droht damit ein erneuter Belastungstest. Die Zeiten, in denen die Staaten für wenig Geld neue Kredite aufnehmen konnten, neigen sich dem Ende entgegen. In den USA sind die Kapitalmarktzinsen schon deutlich gestiegen. Das ist ein Vorbote für Europa.

Jetzt rächt sich, dass sich die Staaten zu lange auf die billigen Zinsen verlassen haben. Deutschland hebt sich in diesem Punkt positiv ab. Der Bundesregierung wird es wohl bis Jahresende gelingen, die Schuldenquote auf unter 60 Prozent des Bruttosozialprodukts zu drücken und damit die Maastricht-Obergrenze einzuhalten. Das ist ein Erfolg. Denn dabei geht es nicht um fiskalische Spitzfindigkeiten, sondern um Spielräume für die Zukunft. Nur wenn es die Staaten schaffen, in guten Zeiten ihre Verschuldung abzubauen, bleiben sie in Krisenzeiten handlungsfähig.