Steigende Mieten treiben die Menschen auf die Straßen. Foto: Leif Piechowski

Um an den Wohnungsmärkten wirklich etwas zu ändern, braucht es einen langen Atem, findet STN-Autorin Annika Grah

Stuttgart - Kaum etwas hat zuletzt so polarisiert wie die Idee von Mietpreisbremse und der in Berlin diskutierte Mietendeckel. Die einen sprechen von Enteignung und Planwirtschaft, die anderen sehen darin längst überfällige Grenzen für heiß gelaufene Wohnungsmärkte. Die Debatte um die politische Steuerung am Wohnungsmarkt ist so überhitzt wie mancherorts der Markt selbst.

Allerdings wird in der Diskussion oft vergessen: Staatliche Eingriffe in den Wohnungs- und Immobilienmarkt haben eine lange Tradition und eine wichtige Funktion. Der staatlich geförderte Wohnungsbau wurde nicht erst in der Nachkriegszeit zu einer wichtigen Säule des Sozialstaats. Instrumente wie die Wohnungsbauprämie für Häuslebauer und später das Wohngeld für Geringverdiener wurden schon in den 1950er und 1960er Jahren eingeführt.

Und trotz dieses ausgefeilten Instrumentenkastens ist einiges in Ungleichgewicht geraten. Die Zahl der Sozialwohnungen ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gesunken. Nach einem Jahrzehnt mit niedrigen Zinsen ist die Eigentumsquote in Deutschland immer noch so niedrig wie in kaum einem anderen Land Europas . Und in den Ballungszentren steigen die Mieten – trotz eingeführter Mietpreisbremse. Der Paritätische Gesamtverband spricht von einem „echten Armutsrisiko“.

Politischer Aktivismus

Die angespannte Lage hat gerade in der jüngsten Vergangenheit zu einem ordentlichen Maß an politischen Aktivismus geführt. Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen, Baukindergeld und eine stärkere Förderung des sozialen Wohnungsbaus sind nur einige Beispiele.

Doch inzwischen zeigt sich: Nicht alle Maßnahmen erzielen die gewünschte Wirkung. Der Mietpreisbremse wurde zwar eine dämpfende Wirkung attestiert, einen Anstieg der Mieten kann sie aber nicht verhindern. Gleichzeitig dürften die Kritiker recht behalten, wenn sie sagen, durch die Mietpreisbremse würde keine einzige Wohnung zusätzlich gebaut. Und dass die Bundesregierung das Instrument wenige Jahre nach der Einführung schon nachbessern musste, spricht für sich.

Neuer Wohnraum entsteht nicht

Ähnlich verhält es sich mit dem Baukindergeld, das zwar wie angedacht den unteren Einkommensgruppen nutzt. Die kaufen sich allerdings häufig eine bestehende Immobilie anstatt selbst zu bauen und wirklich neuen Wohnraum zu schaffen.

Vor allem wo schutzwürdige Interessen bestehen, wird der Staat auch in Zukunft eingreifen müssen. Und so ist es auch richtig, wenn die bayerische Landesregierung an diesem Freitag über den Bundesrat versucht, einem alten, aber vom Bundesgerichtshof seit dem Jahr 2004 ausgebremsten Strafparagrafen wieder etwas Leben einzuhauchen, der Wuchermieten, die mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, mit Bußgeldern belegt.

Keine einfachen Lösungen

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) bringt es aber auf den Punkt, wenn er sagt: „Einfache Lösungen gibt es nicht. Wir brauchen ein Bündel an Maßnahmen von Kommunen, Land und Bund in verschiedenen Bereichen. Insbesondere muss mehr preiswerter Wohnraum geschaffen werden.“

Denn Verbote allein schaffen keinen zusätzlichen Wohnraum. Stattdessen muss das Bauen dringend erleichtert und nicht durch aufgeblähte Vorschriftskataloge verteuert werden. Vor allem aber sollte der Staat seine Eingriffe mit gesundem Augenmaß und mit ruhiger Hand planen, anstatt hektisch einzugreifen. Dazu gehört aber ein langer Atem, der auch über das Denken in Legislaturperioden hinausreichen muss. Denn Bauen braucht Zeit.

annika.grah@stuttgarter-nachrichten.de