Informationen über die Religion, auf Deutsch und von staatlich geprüften Lehrern, ist das Ziel des Islamischen Religionsunterrichts. Foto: dpa

Die Landesregierung und die Fraktionen im baden-württembergischen Landtag (bis auf die AfD) wollen den islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen ausweiten. Doch jetzt gibt es Bedenken wegen des möglichen Einflusses von Ditib.

Stuttgart - „Wir wollen islamischen Religionsunterrichtin die Fläche bringen“, sagt Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Im islamischen Religionsunterricht (IRU) sieht sie „die richtige Reaktion auf die aktuelle Unsicherheit“. Eisenmann liegt damit ganz auf der Linie des Parlaments – mit Ausnahme der AfD-Fraktion. Zurzeit können Eisenmann zufolge nur etwa zwei Prozent der muslimischen Schüler im Land islamischen Religionsunterricht (IRU) an der Schule besuchen. Der Unterricht wird auf deutsch von hier ausgebildeten muslimischen Religionslehrern erteilt. 93 Schulen aller Schultypen sind dabei. Anträge weiterer Schulen für dieses Schuljahr seien sogar abgelehnt worden, sagte Eisenmann dieser Zeitung. „In der Fläche ist das Angebot so nicht zufriedenstellend“, konstatiert sie.

Lehrer fehlen, nicht Studienplätze

Grund für die Lücken sind fehlende Lehrer. An der Zahl der Studienplätze liegt es nicht, dass die Lehrer fehlen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) verweist darauf, dass die Kapazitäten ausgeweitet wurden, verzeichnet aber eine „eher zurückhaltende Nachfrage“. Das Wissenschaftsministerium zählt 162 angehende Lehrer, die islamische Theologie an den Pädagogischen Hochschulen studieren. Für das Lehramt an Gymnasien sind an der Universität Tübingen 66 Studierende in dem Studiengang eingeschrieben.

Mit einem Antrag auf flächendeckende Einführung des IRU geht die oppositionelle FDP an diesem Donnerstag in den Landtag. Ihr bildungspolitischer Sprecher Timm Kern, selbst einst katholischer Religionslehrer und „ein glühender Verfechter religiöser Bildung“, ist davon überzeugt, dass „jeder Grundinformationen über seine Religion braucht“.

Er hält es ganz mit dem Theologen Hans Küng, der den Frieden zwischen den Religionen als Voraussetzung für den Frieden zwischen den Völkern hält. Dialog setze aber Wissen voraus, so Kern, deshalb sei flächendeckender islamischer Religionsunterricht an den staatlichen Schulen notwendig. Momentan müssten Eltern in Baden-Württemberg zu oft auf Moscheegemeinden ausweichen, wenn sie für ihre Kinder religiöse Erziehung wünschten. Dort mangle es oft am pädagogisch ausgebildeten Personal. Auch wolle man die Kinder „nicht islamischen Hasspredigern aussetzen“. Für Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, verlangt die FDP die flächendeckende Einführung von Ethikunterricht.

Positive Grundstimmung, aber wohl keine Mehrheit

Trotz grundsätzlicher positiver Signale von Grünen, CDU und SPD wird der Antrag voraussichtlich keine Mehrheit finden. Zu groß sind die Bedenken gegen mögliche Einflussnahme des Dachverbands der Moscheegemeinden, Ditib. Die Ditib bildet mit drei weiteren Verbänden den Beirat für den IRU, der im Jahr 2018 die Trägerschaft für den Religionsunterricht in Baden-Württemberg übernehmen soll. Das weckt inzwischen bei Abgeordneten aller Fraktionen Skepsis. Sie wollen zunächst die Zusammenarbeit mit Ditib überprüft haben.

Bernhard Lasotta, der Integrationspolitiker der CDU, ist besorgt: „Ich halte es für mit der Verfassung unvereinbar, dass Ditib Einfluss auf den Religionsunterricht an staatlichen Schulen bekommt“. Wenn Ditib mehr Einfluss wolle, „muss sie sich vom türkischen Staat unabhängig machen“. Lasotta beklagt, dass „Wissenschaftler, die für einen europäischen Islam eintreten, bei den Verbänden kein Gehör finden“. Er will einen Religionsunterricht, „der mit dem Grundgesetz, der Landesverfassung und unseren Werten kompatibel ist“.

Keine Vereine als Religionsgemeinschaften

Auch Brigitte Lösch (Grüne) will „keine religiösen Vereine zu Religionsgemeinschaften machen“, die dann die Trägerschaft für den Unterricht übernehmen könnten. Trotz der unbestrittenen Bedeutung des IRU für die Integration, müsse zunächst die Zusammenarbeit mit Ditib überprüft werden. Für die SPD rät Stefan Fulst-Blei, „ein sensibles Auge auf den Projektbeirat zu haben“. Die Fragen, was Ditib angeht, seien in den vergangenen Wochen „deutlich größer geworden“ Der Verband müsse erst die Vorwürfe klären, dann müssten Konsequenzen geprüft werden. Ditip soll im Auftrag der türkischen Regierung die Gülen-Bewegung ausgekundschaftet haben. Auch die FDP selbst fragt sich laut Kern, „ob die Richtigen im Beirat sitzen.“ Er betont: „Religionslehrer müssen einen Islam vertreten, der in die Gesellschaft passt“.

Keine Fragen sind für die AfD offen. „Wir lehnen es ab, islamischen Religionsunterricht vom Steuerzahler bezahlen zu lassen“, konstatiert Rainer Balzer. Der Schulunterricht würde seiner Ansicht nach „eine Parallelgesellschaft befördern. „Wer ein Bleiberecht will, soll sich in unsere Kultur einbringen“, sagt Balzer und plädiert für verpflichtenden Ethikunterricht „für alle, die nicht in den christlichen Religionsunterricht wollen."

Runder Tisch der Religionen

Das Thema ist jedoch nicht vom Tisch. Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) plant am 24. Mai den ersten „Runden Tisch der Religionen“. Dabei sollen sich alle in Baden-Württemberg landesweit organisierten Bekenntnisse über Religionsunterricht und „das Verhältnis der Religionen zum säkularen Staat“ unterhalten, so Lucha.