Der Pjöngjang-Pub in Seoul ist mit nordkoreanischer Propaganda dekoriert. Diesen zwei Besucherinnen gefällt es hier offensichtlich. Foto: Felix Lill

In Südkorea ist es verboten, sich positiv über den verfeindeten Norden zu äußern. Ein neuer Pub in der Hauptstadt Seoul tut scheinbar aber genau dies. Damit trifft der Wirt den Geschmack junger Kunden.

Seoul - Jang Wookyung musste erst den Bankrott fürchten, um auf die Idee zu kommen, die sich noch als die beste seines Lebens herausstellen könnte. Jahrelang hatte der Unternehmer vier Izakayas geführt, also Kneipen im japanischen Stil. Aber als vergangenen Sommer ein alter Streit über Japans Kriegsvergangenheit in Südkorea entflammte, in dem Japan weitere Entschädigungszahlungen verweigert, begannen Koreaner in großen Zahlen mit dem Boykott japanischer Produkte. Damit ging auch der südkoreanische Gastrounternehmer Jang in die Knie. „Meine Erlöse halbierten sich schon in ein paar Wochen. So konnte es nicht weitergehen. Ich musste mir etwas überlegen.“ Also schloss er zumindest den wichtigsten seiner Izakayas vorübergehend, um sich neu auszurichten.

Nach einigem Brainstorming, berichtet Jang, sei ihm das hier eingefallen: Unter der Decke hängen hinter Kronleuchtern kommunistische Propagandabilder von heroischen Arbeitern. Die makellos geschminkten Kellnerinnen tragen Kleider im nordischen Bauernstil. Auf der Karte stehen Gerichte wie kalte Pjöngjang-Nudeln oder knusprige nordkoreanische Pfannkuchen. „Von dem hier kann man halten, was man will“, sagt Jang nach etwas Zögern. „Aber in Korea sind wir mit dieser Idee ganz bestimmt die ersten.“

Im Eingangsbereich prangt der Spruch: „Wer raucht, wird erschossen.“

Der Pjöngjang-Pub, wie sich der Laden in Seouls hippem Viertel Hongdae seit seiner Einweihung im Oktober nennt, ist zum Gesprächsthemen in der Hauptstadt geworden. Ein Geschäft, das nicht nur nordkoreanische Kulinarik bietet, sondern auch die Folklore des Landes? In Südkorea ist das eigentlich undenkbar. Seit 1950 stehen die Bruderstaaten im Kriegsverhältnis zueinander. Als 1953 das Schießen eingestellt wurde, gelang bloß ein bis heute geltender Waffenstillstand. In Südkorea gilt es als Verrat, sich auch nur neutral zu Nordkorea zu verhalten. Laut Gesetz stehen darauf bis zu sieben Jahre Gefängnis.

Doch der 47-jährige Jang Wookyung, ein Typ mit kurzen Haaren und Holzfällerstatur, betont, ohne erst danach gefragt werden zu müssen: „Ich selbst war noch nie in Nordkorea und will da auch gar nicht hin. Mich interessiert das Land eigentlich nicht. Wir machen hier nur Spaß. Das hier ist für mich nicht mehr als Business.“

Im Eingangsbereich prangt der Spruch: „Wer raucht, wird erschossen.“ An einer Wand wird in breiten Lettern über hohen Fenstern gefordert: „Arbeitet und liefert frisches Bier für das Volk!“ Um die Ecke zeigt eine große Zeichnung im kommunistischen Propagandastil einen Mann im Kittel und mit Reagenzglas. Bildunterschrift: „Forscht, um unsere Leber stärker zu machen!“

Lächerlich machen will der Wirt den Norden nicht

Wer das Satirische jetzt noch nicht erkannt hat, der könnte etwas merken, wenn das Bier an den Tisch kommt. Die nordkoreanische Sorte, die hier vermeintlich im Angebot ist, heißt Taedonggang, benannt nach dem großen Fluss, der die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang durchkreuzt. „Aber in Südkorea ist es verboten, Produkte aus Nordkorea zu kommerzialisieren“, erklärt Jang. Also kauft er deutsches Bier ein und beklebt die Flaschen mit Labels, die jenen des nordkoreanischen Originals ähneln.

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Lächerlich machen wolle er den Norden aber auch nicht. Jang geht voraus zum mittleren der drei Stockwerke, über die sich das Geschäft ausbreitet. Hinter einer Glasschiebetür mit dem Hinweis, dass hier nichts verkauft wird, füllt sich ein kleiner Raum mit Produkten und Gegenständen aus dem Norden. In den Regalen stehen Postkarten aus Pjöngjang, Kekse, Bonbons mit Apfelgeschmack und das Originalbier Taedonggang. In einer Vitrine in der Mitte liegen Geldscheine, auf denen die Konterfeis der Kim-Dynastie zu sehen sind. In einer Ecke ist eine Kleiderpuppe mit Trachten angezogen, daneben liegen Handtaschen aus dem Norden.

Viele in Südkorea dämonisieren den Norden

Es sind Dinge, die im liberalen Südkorea fast kein Mensch zu sehen bekommt. Die Zensur im Süden reicht weit, was auch zu einer Dämonisierung des Nordens führt. Nordkoreanern wird etwa gelegentlich nachgesagt, sie hätten Hörner auf dem Kopf. Doch selbst dann, wenn keine Unwahrheiten über den Bruderstaat verbreitet werden, entsteht das Bild einer unmenschlichen Gesellschaft. Nach fast 70 Jahren Kriegszustand und wiederholten Raketentests oder Kriegsdrohungen ist der Austausch zwischen Nord und Süd so karg, die Berichterstattung so negativ, dass viele Menschen im Süden jenen im Norden nicht mehr zutrauen, überhaupt mal zu lachen oder zu tanzen.

Gegen 19.30 Uhr ist der Pub schon zu mehr als der Hälfte gefüllt. Nicht nur Gruppen von Arbeitskollegen kehren hier zum typischen Feierabendtrinkgelage ein. Auch Studenten und ausländische Touristen sind da. Eine der Besucherinnen ist die 21-jährige Studentin Park Joowon, die mit einer Freundin gekommen ist. „Ich habe über Instagram von diesem Pub gehört und wollte ihn sofort sehen. Und in der einen Stunde, die ich jetzt hier bin, hab ich schon so viel gelernt über Nordkorea. Ich dachte, dass man dort überhaupt keinen Alkohol trinken darf.“ Die Warnung an der Wand, dass man für das Rauchen erschossen werde, versteht Park Joowon allerdings erst, nachdem sie von einer Kellnerin darauf hingewiesen wird, dass es so streng in Nordkorea wohl nicht gehandhabt werde.