Britta Scheerer und Michael Ransburg in „Iphigenie auf Tauris“ Foto: Haymann

Sehr klar und prägnant hat Dieter Nelle im Forum-Theater Goethes „Iphigenie auf Tauris“ inszeniert, mit spannungsvollem Wechsel zwischen ruhigen Monologpassagen und dramatischen Dialogen.

Stuttgart - Keine Familiengeschichte der netten Art wird in Goethes „Iphigenie auf Tauris“ erzählt, sondern eine extrem blutrünstige. Orests Mutter Klytämnestra hat seinen Vater Agamemnon ermordet, Orest bringt deshalb seine Mutter um.

Bei den Tauriern, die auf der heutigen Krim leben und für die Griechen Barbaren sind, sollen Orest und sein Freund Pylades als Menschenopfer getötet werden. Orests Schwester Iphigenie fungiert dort als Priesterin der Göttin Diana. Auch Iphigenie sollte geopfert werden, doch Diana hat sie zu den Tauriern gerettet. Dort, in der Fremde, fühlt sie sich wie eine Sklavin, und ein Heiratsantrag des Taurierkönigs Thoas erschreckt sie geradezu.

Im Forum-Theater hat Marcel Keller die gesamte Bühne geflutet. Die Akteure stapfen durch das Wasser oder liegen auch mal darin. Natürlich ist das Wasser ein Bild für das Meer, das sich zwischen Griechenland und Tauris erstreckt, und damit auch ein Symbol für die Distanz zwischen Fremden.

Britta Scheerer spielt die Iphigenie als eine mutige Kämpferin

Auch die Welt, die uns Goethe zeigt, ist für uns gänzlich fremd, eine archaische, fürchterliche Zeit, in der sich Menschen ständig von Göttern gelenkt fühlen und glauben, ihnen gehorchen zu müssen. Iphigenie steht dagegen, als eine moderne Figur. Sie empfindet Widerwillen gegen ihre Vorgesetzte, die Göttin Diana, beklagt die Zurücksetzung der Frauen gegenüber den Männern und sagt so wunderbare Sätze wie diesen: „Wir reden nur durch unser Herz zu uns.“

Britta Scheerer spielt die Iphigenie als eine mutige Kämpferin, die zugleich anrührend offen ihre Gefühle zeigt. Michael Ransburg als Orest lotet mit seiner suggestiven Stimme die Untiefen dieser zerrissenen Figur aus.

Sehr klar und prägnant hat Dieter Nelle das Stück inszeniert, mit spannungsvollem Wechsel zwischen ruhigen Monologpassagen und dramatischen Dialogen. Unerhört aufregend gerät am Schluss der Schlagabtausch zwischen Iphigenie und Thoas (wunderbar klar mit sparsamem Spiel: Udo Rau). Iphigenie setzt Humanität gegen schaurige Gewalt durch, das ist ja das aufklärerisch-moderne Anliegen des Stücks. Doch das wird als harter Kampf vorgeführt.

Vorstellungen 8., 9., 13. und 14. November.