Der Prozess im Film: Wie Steuersünder Uli Hoeneß trägt auch Darsteller Thomas Thieme Anzug und eine rot gepunktete Krawatte. Foto: ZDF und Manto Sillack

Charakterdarsteller Thomas Thieme spielt Uli Hoeneß. Dem prominenten Steuersünder ist Thieme zwar noch nie begegnet – über einen Anruf von Hoeneß würde er sich aber freuen.

Herr Thieme, Sie haben schon Helmut Kohl gespielt, jetzt Uli Hoeneß. Was war leichter?
Leicht war beides nicht. Aber Hoeneß zu spielen hat mehr Spaß gemacht. Was daran liegt, dass ich mich in so einen hochgekommenen Fußballer, der Manager geworden ist, besser hineinversetzen kann als in einen Provinzpolitiker, der es zum Bundeskanzler gebracht hat. Das hat etwas mit den unterschiedlichen Berufsbildern zu tun.
Was fasziniert Sie an der Figur Uli Hoeneß?
Dieses Unkontrollierte seines Charakters, dass er sich immer getraut hat, die Kontrolle zu verlieren und zu sagen, was Sache ist. Das ist in einer Zeit, in der Kontrollverlust als die größte Sünde gilt, bemerkenswert. Mir imponiert das Impulsive, das ihn ausmacht, das Polterige. Dazu kommt, dass er ein unglaubliches dramatisches Potenzial hat, der ist Faust und Mephisto in einer Person. Dieser aalglatte Manager, der er ja sicher auch war, interessiert mich am wenigsten an ihm.
Haben Sie denn auch für den Steuerhinterzieher und Straftäter Hoeneß Verständnis?
Soweit das seine eigene Einschätzung der persönlichen Unschuld betrifft, habe ich Verständnis. Ich habe auch noch keinen Straftäter getroffen, der gesagt hätte: Ich bin eine große Sau, brummt mir noch mehr auf. Aber: Es gibt wirklich Widerlicheres, als den Staat um Geld zu betrügen.
Warum haben Sie auf das für Hoeneß typische Schwäbeln verzichtet?
Weil es der Regisseur nicht verlangt hat. Zum Glück, muss ich sagen, weil ich wie kein Zweiter dialektunbegabt bin. Mein Thüringer Heimatdialekt ist der einzige, den ich wirklich draufhabe und auch nicht loswerde (lacht). Aber wenn ich versuche Schwäbisch, Bayerisch oder Berlinerisch nachzuäffen, dann geht das fürchterlich in die Hose. Da lachen Sie sich tot, und das wollte man nicht riskieren.
Dafür sind Sie vom Äußeren ein ähnlicher Typ wie Hoeneß . . .
Stimmt, und ich glaube, das war auch einer der wichtigsten Gründe, warum man mich für die Rolle angefragt hat.
Sind Sie Fußballfan?
Fan wäre übertrieben, aber ich bin immerhin Coach des „FC Energie Schaubühne“, also der Theatermannschaft der Berliner Schaubühne, die ich 1997 gegründet habe. Bei denen habe ich früher auch mitgekickt, mehr schlecht als recht als linker Verteidiger. Unser begnadetster Spieler ist übrigens Lars Eidinger, der kann wirklich fantastisch kicken. Der hat leider viel zu tun und steht nur noch eingeschränkt zur Verfügung.
Sie haben zu Hoeneß‘ großer Zeit als Fußballer in der DDR gelebt. Haben Sie seine Karriere dort verfolgt?
Aber selbstverständlich. Ich bin ja aus Weimar, und dort konnte man fantastisch Westfernsehen gucken. Weimar liegt ja westlicher als einige westdeutsche Städte. Ich habe den Fußballer Hoeneß jedenfalls beobachtet, habe damals aber andere Idole gehabt. Günter Netzer zum Beispiel, den ich später kennengelernt habe und mit dem mich eine sehr gute Kameradschaft verbindet. Oder den herrlich verrückten Jimmy Hartwig, mit dem ich später auf der Theaterbühne zusammengearbeitet habe. Ich habe als Regisseur drei Stücke mit ihm gemacht und muss sagen: Er war nicht nur ein unglaublicher Fußballer, sondern ist auch ein begabter Schauspieler.
Kennen Sie Uli Hoeneß?
Leider nein, aber ich hoffe, dass er den Film als Einladung betrachtet, sich mal zu melden (lacht). Vielleicht sagt er ja: „Mensch, der kleine Ossi hat das ordentlich gemacht, mit dem gehe ich mal ein Weißbier trinken.“ Ich hätte also nichts gegen einen Anruf von ihm einzuwenden, wenn er wieder aus dem Gefängnis raus ist.
Würden Sie sein Leben als gelungen oder misslungen bezeichnen?
Unbedingt gelungen. Bis auf den Gefängnisaufenthalt natürlich, den er sich selber eingebrockt hat, was mir absolut unverständlich ist. Wie kann ein Mann mit über 60, der auch ohne Zocken Geld im Überfluss hat, so etwas machen? Ich verstehe das überhaupt nicht. Warum sitzt der nicht auf seiner Terrasse mit einer Flasche Rotwein und liest ein schönes Buch? Was muss sich denn so einer in den Knast setzen? Das ist doch eine gänzlich überflüssige Episode in diesem sonst vor Erfolg nur so strotzenden Leben.
Vor seinem Haftantritt hat Uli Hoeneß verkündet: „Das war’s noch nicht.“ Wie, glauben Sie, geht es mit ihm weiter?
Also, das hätte ich so nicht gesagt, das gehört für mich in die Rubrik Taten und Worte, die man auch hätte weglassen können. Aber dieser Satz war halt typisch für ihn, pure Emotion, da rammt er wieder mit dem Kopf durch die Wand. Ich hoffe, dass ihn dieser Satz nicht einholt. Natürlich werden sie ihn beim FC Bayern wieder mit ihrem entsetzlichen Gebrüll in die Positionen reindrängen. Aber ich glaube nicht, dass er sich das noch mal antun sollte. Er ist doch ein kluger Mann.
Kann sich einer wie Hoeneß überhaupt zurückziehen?
Das ist für einen wie ihn ohne Frage schwer, aber er sollte es wagen. Er sollte sich eine Gesamtausgabe von Goethe besorgen, wenn er noch keine hat, und sich mal so richtig schön langweilen. Goethe lesen ist ja zunächst sehr langweilig, aber dann, wenn man plötzlich versteht, was der Typ da schreibt, dann wird es zum größten Abenteuer, was man überhaupt erleben kann.

Am 27. August zeigt das ZDF um 20.15 Uhr das Drama „Uli Hoeneß – Der Patriarch“