Immer wieder gab es in Rumänien Proteste gegen die Korruption im Land. Foto: dpa

Der Politikwissenschaftler Cristian Pîrvulescu blickt eher skeptisch auf die rumänische EU-Präsidentschaft. Es fehle ein klares Programm.

Bukarest - Der Bukarester Politologe Cristian Pîrvulescu (53) ist Professor an der Nationalen Hochschule für Politikwissenschaften und öffentliche Verwaltung in Bukarest. Er engagiert zudem politisch, etwa in der Bewegung Asociatiei Pro Democratia (APD).

Herr Pîrvulescu, ist Rumänien auf den EU-Vorsitz vorbereitet?

Technisch gibt es keinerlei Probleme. Rumänien hat ein sehr gutes Team von sachkundigen Fachleuten in Brüssel und in Bukarest, das die EU-Präsidentschaft vorbereitet. Trotzdem haben wir kurz vor dessen Beginn immer noch kein klares Programm und keinen Zeitplan für den EU-Vorsitz. Doch das Problem liegt auf dem politischen, nicht auf dem operativen Niveau.

Wie meinen Sie das?

Premierministerin Viorica Dancila und die meisten ihrer Minister sind absolut nicht erfahren und verstehen Europa nicht. Ich glaube nicht an die Fähigkeit dieser Regierung, die europäischen Probleme und Abläufe zu verstehen – und zu managen.

Ist es keine Hilfe, dass die Regierungschefin früher selbst im Europaparlament saß?

Es stimmt, dass sie Europaabgeordnete war. Aber sie hat keinerlei Erfahrung beim Umgang mit solch sensiblen Problemen, vor denen nun die EU steht. Auch was die Richtung ihrer Politik angeht, haben wir ein Problem: Viele Minister glauben selbst an die von ihnen verbreitete These eines gegen die Regierung operierenden Parallelstaats der Justiz. Und Liviu Dragnea, der Chef der regierenden PSD, nutzt diese Verschwörungstheorien ähnlich bewusst für seine Zwecke wie Ungarns Premier Viktor Orbán.

Inwiefern ist das seit fast zwei Jahre anhaltende Tauziehen um die Unabhängigkeit von Rumäniens Justiz für den EU-Vorsitz eine Belastung?

Erst vor zwei Wochen hielt Dragnea eine antieuropäische Rede. Das ist für den EU-Vorsitz natürlich ein Problem. Ihm ist es bereits geglückt, das Justizsystem in Rumänien weitgehend zu zerstören. Das gilt nicht nur für die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption, die nur noch eine Fiktion ist.

Und welche Auswirkungen könnte das angespannte Verhältnis zwischen der Regierung und Staatschef Klaus Johannis auf Rumäniens EU-Vorsitz haben?

Eine ständige Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und der Regierung in außenpolitischen Fragen ist sehr wichtig. Normalerweise vertritt die Regierung das Land im EU-Rat. Doch laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichts von 2012 repräsentiert der Präsident das Land bei EU-Gipfeln. Die Kooperation zwischen ihm und der Regierung ist schon jetzt sehr kompliziert und hart. Das erschwert die Bedingungen für eine gute EU-Präsidentschaft.

Könnte auch Rumäniens Wahljahr den EU-Vorsitz beeinträchtigen?

Im Mai steigen die Europa-, im November die Präsidentschaftswahlen. PSD-Chef Dragnea hat sich bereits als Präsidentschaftskandidat positioniert. Er hat keinerlei Interesse, dass sich Präsident Johannis als Gastgeber des EU-Gipfels im Mai als Rumäniens starker Mann präsentieren kann. Ich glaube, dass die PSD mithilfe der von ihr unter Kontrolle gebrachten Justiz versuchen wird, Johannis in eine schwierige Lage zu manövrieren und seine Legitimität infrage zu stellen. Schon jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen seine Frau wegen angeblich zweifelhafter Immobiliengeschäfte eingeleitet. Es könnte nun noch die von Dragnea geforderte Anklage gegen Johannis wegen Landesverrats folgen.

Glauben Sie, dass diese Regierung bis zum Ende der EU-Präsidentschaft amtieren wird?

Im Moment hat die Regierung keine eigene Mehrheit im Parlament. Das kann zum Problem werden. Das Problem der Opposition ist es bisher, dass sie die Parlamentsmehrheit nicht von der Notwendigkeit eines Regierungswechsels überzeugen konnten. Aber wenn sich das Kabinett als unfähig erweist, das EU-Dossier zu meistern, ist ein Regierungswechsel in den nächsten sechs Monaten durchaus möglich.