Porsche-Chef Oliver Blume startet eine Innovationsoffensive. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Porsche gründet eine Tochtergesellschaft, die den Vorstoß des Autobauers in die digitale Welt beschleunigen soll. Porsche-Chef Oliver Blume startet damit eine Innovationsoffensive, wie er im Interview erzählt.

Stuttgart - Porsche stellt die Weichen für einen forcierten Vorstoß in die digitale Welt. Die neue Tochter Porsche Digital GmbH in Ludwigsburg soll weltweit Trends und Ideen in diesem Zukunftsfeld aufspüren und bewerten sowie geeignete Partner für neue Angebote suchen, wie Porsche-Chef Oliver Blumeim Interview ankündigt.

Herr Blume, Sie starten als Teil ihrer Strategie 2025 eine Innovationsoffensive. Hat Porsche hier Nachholbedarf?
Porsche war schon immer und ist auch heute ein innovatives Unternehmen. Sonst könnten wir nicht Jahr für Jahr neue Rekorde erreichen. Die Ansprüche der Kunden an die individuelle Mobilität verändern sich jedoch massiv. Zudem erfordern technologische Sprünge in der Automobilbranche – Elektrifizierung, Digitalisierung und Konnektivität – ein ganz neues Denken.
Und wie tragen Sie dem Rechnung?
Auf der einen Seite stärken wir die Innovationskraft innerhalb des Unternehmens. Wir gehen noch systematischer und strukturierter an die Themen ran. Wir konzentrieren uns auf Felder, auf denen Porsche besonders stark ist, also etwa Design und Antrieb, aber auch damit verbundenen Materialien und Produktionsverfahren – Stichwort Produktion 4.0. Wir arbeiten noch vernetzter, beschleunigen unsere Prozesse und setzen Mittel flexibler ein. Das ist aber nicht alles. Um bei der Digitalisierung in den kommenden Jahrzehnten ganz vorne mitzuspielen, hat der Aufsichtsrat jetzt die Gründung der Tochtergesellschaft Porsche Digital GmbH beschlossen. Sie wird unser neues Kompetenzzentrum in diesem Zukunftsfeld sein. Geschäftsführer ist Thilo Koslowski, der erst kürzlich vom amerikanischen IT-Beratungsunternehmen Gartner aus dem Silicon Valley zu Porsche gekommen ist.
Wo wird die Tochter angesiedelt und wie viele Mitarbeiter wird sie haben?
Wir starten mit einer kleinen Mannschaft. Die Zentrale wird in Ludwigsburg angesiedelt sein. Wir haben dort einen Campus gefunden, der gut zu kreativ arbeitenden Menschen passt. Im nächsten Schritt werden Satelliten etabliert – in Berlin für Europa, im Silicon Valley für Nordamerika und eventuell in Peking oder Shanghai für Asien. Wir schaffen zunächst 50 Stellen, haben aber ein deutliches Wachstum für die Zukunft geplant. Wir machen das Porsche-typisch, also Schritt für Schritt.
Welche Qualifikationen sollen die Mitarbeiter mitbringen?
Wir brauchen kreative Menschen, die Spaß daran haben, Neuland zu betreten, die IT-Erfahrung mitbringen und eine Leidenschaft für digitale Themen haben. Wir brauchen aber auch Leute, die ein gutes Gespür dafür haben, welche digitalen Features gut ankommen. Und die Mut haben und bereit sind, Dinge auszuprobieren und auch einen Fehler zu machen. Idealerweise begeistern sie sich auch noch für sportliche Autos.
Kann man sagen, dass diese Mitarbeiter anders ticken als klassische Porsche-Mitarbeiter? In der Internet-Welt geht es ja nicht so sehr um Perfektion sondern um Schnelligkeit da wird viel ausprobiert, um zunächst einmal zu sehen, wie es ankommt.
Wir wollen, dass die Mitarbeiter anders ticken. Deshalb haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, eine neue Gesellschaft zu gründen. Das heißt nicht, dass Porsche bisher langsam ist. Im Gegenteil. Wir würden sonst nicht Schlag auf Schlag neue Modelle auf den Markt bringen. Man braucht aber im digitalen Bereich andere Prozesse, weil sich die Rahmenbedingungen extrem schnell verändern und die Reaktionsgeschwindigkeiten deutlich dynamischer sind.
Das Entwicklungszentrum in Weissach gilt traditionell als Ideenschmiede von Porsche. Jetzt könnte man ja fast den Eindruck gewinnen, die Zukunft entsteht anderswo.
Weissach war, ist und bleibt die Denkfabrik von Porsche. Neue Ideen entstehen aber genauso in anderen Bereichen, wie etwa in der Beschaffung, in der Produktion oder im Vertrieb. Auch das wird in Zukunft so bleiben. Die neue Tochtergesellschaft befasst sich – eng verzahnt mit den Ressorts – in besonderem Maße mit der ganzen Bandbreite der digitalen Themen.
Und wie soll das konkret ablaufen?
Die Digital GmbH sammelt und bewertet Trends und Ideen, identifiziert digitale Kundenerfahrungen, Produkte und Geschäftsfelder. Das Tochter-Unternehmen sucht geeignete Partner und beteiligt sich an Fonds und Start-ups. Wir werden dort neue Wertschöpfungsmodelle und innovative Produkte testen und realisieren. Wir werden sondieren, was einen hohen Kundennutzen bringt oder unsere Prozesse im Unternehmen verbessert. Die Kunst wird darin bestehen, das automobile Knowhow von Porsche mit dem digitalen Knowhow zu verknüpfen.
Das klingt abstrakt. Haben Sie denn schon Vorstellungen, mit welchen neuen Angeboten Porsche die Kunden begeistern und sich in diesem Bereich von den Wettbewerbern abheben kann?
Wir haben für die Zukunft schon einige Ideen, lassen Sie sich überraschen. Grundsätzlich geht es beispielsweise um Services im hochklassigen Segment. Man könnte sich etwa vorstellen, dass bereits auf der Fahrt in die Stadt der Parkplatz gesucht und reserviert wird. Das Auto fährt zum Zielort und parkt automatisch zwei Straßen weiter. Und über den elektronischen Schlüssel gebe ich der Werkstatt die Möglichkeit, den Wagen in der Zwischenzeit zu reinigen oder zu warten. Nebenbei erledigt jemand die Einkäufe und verstaut sie im Auto. Das ist natürlich nur ein kleiner, vielleicht banaler Ausschnitt, zeigt aber die Dimension auf.
Andere Autobauer, wie etwa Daimler, sind schon lange in der digitalen Welt unterwegs, wie etwa bei der Entwicklung des autonomen Fahrens. Kommt Porsche nun hier als Spätzünder?
Sie werden bereits beim neuen Panamera, der dieses Jahr auf den Markt kommt, viele digitale Features sehen, die absolut auf Wettbewerbsniveau sind. Etwa frei konfigurierbare Touch-Screens, eine deutlich verbesserte Spracherkennung, individuelles Infotainment mit intuitiven Interaktionen. Wir sind davon überzeugt, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt für die Gründung der Digital GmbH ist. In den nächsten fünf Jahren wird sich viel verändern.
Dennoch scheinen sich die Prioritäten bei Porsche verschoben zu haben. Vor zwei Jahren hat der damalige Entwicklungschef Wolfgang Hatz in einem Interview mit unserer Zeitung noch gesagt, dass bei einem Porsche vor allem Fahrdynamik und Effizienz wichtig seien. Beim autonomen Fahren, so Hatz, müsse Porsche nicht an der Spitze sein.
Die Prioritäten sind gleich geblieben. Überragende Fahreigenschaften sind für uns nach wie vor das Allerwichtigste. Ein Porsche ist ein Auto, das man selbst fahren möchte und das Spaß macht. Das schließt aber Module des autonomen Fahrens nicht aus. Wer täglich zwei Stunden im Auto sitzt und eine davon im Stau steht, wird einen Stau-Assistenten schätzen, weil er dann beispielsweise auf der Fahrt zur Arbeit Zeitung lesen kann. Auch Park-Assistenten bringen eine große Erleichterung. Und selbst auf der Rennstrecke kann der Autopilot Freude machen, wenn er den Idealkurs fährt und zeigt, wie Kurven perfekt angebremst werden und wo am besten beschleunigt wird.
Porsche ist ein relativ kleines Unternehmen und muss als Kraftakt derzeit schon die Entwicklung des Elektroautos Mission Estemmen. Kann Porsche vor diesem Hintergrund viel in der digitalen Welt bewegen?
Porsche ist zwar ein kleines Unternehmen. Wir haben aber als Mitglied des Volkswagen Konzerns viele Möglichkeiten. Dort arbeiten die Forscher und Entwickler an vielen digitalen Projekten, deren Standardkomponenten dann auch den einzelnen Marken zur Verfügung stehen. Bei Porsche konzentrieren wir uns auf Angebote, die uns von den Wettbewerbern abheben.
VW ist aber auch durch den Abgasskandal gehandicapt. Schwächt dies auch die Investitionskraft von Porsche?
Die beste Möglichkeit den VW-Konzern zu unterstützen, ist, mit unseren Produkten eine gute Rendite zu erwirtschaften. Jede Investition wird gut überlegt und intensiv diskutiert. Das haben wir in der Vergangenheit schon so gehandhabt und das werden wir so beibehalten. Das heißt aber auch: Bei der Entwicklung neuer Produkte bleiben wir voll auf dem Gas. Das beste Beispiel ist der Mission E, in den wir allein 1 Milliarde Euro stecken.
Porsche hat einen Gewinnabführungsvertrag mit VW. Es könnte sein, dass in der Not weniger Geld als üblich für Investitionen von Wolfsburg nach Stuttgart zurückfließt.
Darüber gibt es im Moment keine Diskussionen.
Die Digitaloffensive von Porsche ähnelt in vielem der ebenfalls gestarteten Digitaloffensive von VW. Sie haben Thilo Koslowski aus dem Silicon Valley als Chef der neuen Digital GmbH gewonnen, VW-Chef Müller hat von dort Johann Jungwirth geholt, der dort den Bereich für Digitales leiten soll. Wird da nebeneinander her gearbeitet, droht da unergiebige Doppelarbeit?
Im Gegenteil. Das ist ein enges Miteinander. Jungwirth bearbeitet Themen, die für den Konzern eine zentrale Rolle spielen und von denen gleichzeitig alle Marken profitieren, Koslowski konzentriert sich auf markenspezifische Themen, die aber durchaus auch relevant für den Konzern sein können. Dabei geht es auch darum, Partner für gemeinsame Projekte zu finden.
Handelt es sich bei diesen möglichen Partnern um große Player wie Apple und Google oder eher um unbekannte Spezialisten etwa aus dem Bereich der Navigation?
Da würde ich nichts ausschließen. Das hängt vom jeweiligen Bedarf ab. Wer ist auf welchem Gebiet besonders gut? Wer ist an einer Kooperation interessiert? Wo ist für uns eine Kooperation sinnvoll? Das ist unabhängig davon, ob es einer von den Großen wie Google oder Apple ist oder ob es ein kleineres Unternehmen ist, das intelligente Innovationen anbieten kann.
Haben denn Google oder Apple schon angefragt?
Google und Apple müssen nicht Klinken putzen, auch die Autohersteller nicht. In der Branche kennt man sich und unterhält sich auch. Thilo Koslowski etwa bewegt sich seit 20 Jahren im Silicon Valley, hat einen sehr guten Zugang zu allen wichtigen Playern und hervorragende Kontakte, die uns eine sehr gute Perspektive für die Zukunft eröffnen.