Abgeriegelt ist das Sindelfinger Rathaus: Bürger dürfen nicht rein, doch der Krisenstab tagt täglich. Foto: factum/Andreas Weise

Die Stadtverwaltung Sindelfingen im Krisenmodus: Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer erzählt, wie die Rathausmitarbeiter die Herausforderungen durch das Coronavirus angehen. Die Beschaffung von Schutzkleidung ist aktuell das wichtigste Thema.

Sindelfingen - Die Städte stehen still, sämtliche Behörden sind seit Wochen für die Öffentlichkeit geschlossen. Doch hinter den Türen wird dafür umso emsiger gearbeitet. Bernd Vöhringer, der Oberbürgermeister von Sindelfingen, der größten Stadt im Landkreis Böblingen, berichtet, wie er mit seinem Team versucht, die Corona-Krise zu stemmen.

Herr Vöhringer, wo sind Sie gerade? Im Homeoffice?

Nein, ich befinde mich in meinem Büro im Rathaus. Wir haben gerade Pause im Krisenstab. Dieser tagt täglich mehrere Stunden – natürlich mit großem Abstand der Mitglieder im großen Sitzungssaal. Ein Arzt hat uns empfohlen, zwischendurch eine Pause zu machen und den Raum durchzulüften – damit sich eventuelle Viren verflüchtigen.

Was besprechen Sie täglich im Krisenstab?

Wir haben eine Fülle an Aufgaben. Anfangs ging es vor allem um Rechtsfragen, wir mussten Auflagen erarbeiten und feststellen, was erlaubt ist, was wir besser verbieten, was wir schließen werden. Jetzt gibt es zum Glück eine einheitliche Verordnung des Landes, nach der wir uns richten. Momentan geht es vor allem um Beschaffungsfragen.

Was müssen Sie denn beschaffen?

Wir brauchen Schutzkleidung für unsere Mitarbeiter zum Beispiel im Ordnungsdienst oder auf dem Friedhof. Aber auch in der Stadt werden bei vielen Organisationen Masken und Desinfektionsmittel knapp. Feuerwehr, Polizei, auch manche soziale Einrichtungen sind darauf angewiesen. Die Beschaffung dieser Materialien kostet uns viel Zeit. Sie ist im Moment unsere größte Herausforderung.

Die Corona-Krise ist Ihr Hauptthema im Rathaus?

Ja, eindeutig, Alle anderen Themen sind im Moment vorerst zurückgestellt. Viele unserer Mitarbeiter sind eingebunden ins Krisenmanagement.

Was müssen diese denn so tun?

Wir haben eine Hotline der Stadt, an die sich die Bürger mit allen Fragen rund um Corona – außer medizinischen Themen wenden können. Da haben wir zehn Personen in drei Teams, die damit beschäftigt sind. Dann unterstützen wir das Gesundheitsamt des Landkreises bei der Verfolgung der Infektionsketten. Auch da haben wir etliche Mitarbeiter abgestellt, die die Kontakte von Infizierten abtelefonieren. Dann geht es darum, Bürger und Unternehmen zu entlasten.

Wie?

Wir haben für April die Kitagebühren ausgesetzt. Firmen, die Probleme mit der Steuerzahlung haben, gewähren wir großzügige Stundungen, und das so unbürokratisch wie möglich. Wir haben insgesamt 15 Stabsbereiche im Krisenteam. Mehr als 100 Mitarbeiter sind mit dem Krisenmanagement beschäftigt. Und ich sage das gern: Wir haben ein hervorragendes Team im Rathaus.

Wie sehr sind Sie im Rathaus von Personalausfall wegen des Coronavirus betroffen?

Momentan fehlen uns etwa 130 Mitarbeiter – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Einige fallen wegen der Kinderbetreuung aus, andere befinden sich in Quarantäne. Manche haben wir auch nach Hause geschickt, weil sie zur Risikogruppe gehören.

Gibt es auch Kranke im Team?

Drei Personen sind aktuell infiziert.

Was machen Sie, wenn Sie selbst krank werden?

Dann übernimmt der Erste Bürgermeister Christian Gangl. Wir haben die Verwaltungsspitze, zu der ja auch die Baubürgermeisterin Corinna Clemens gehört, so aufgestellt, dass wir drei uns niemals persönlich gemeinsam treffen. Wir kommunizieren nur virtuell. Auch bei den Sitzungen des Krisenstabs werden die beiden Bürgermeister per Video zugeschaltet.

Sie haben eine Hotline der Stadt und halten regelmäßig Facebook-Sprechstunden ab. Welche Sorgen der Bürger erreichen Sie?

Es geht um Fragen, was denn noch erlaubt ist. Auch die Kitagebühren waren ein Thema. Jetzt gibt es Fragen, wie lange die Beschränkungen noch dauern. Doch da halte ich die Diskussion für zu früh. Die Sindelfinger ziehen sehr gut mit, halten sich an die Beschränkungen. Und ich beobachte mit Freude die vielen Hilfsaktionen bei uns in der Stadt.

Die Corona-Krise wird für alle Beteiligten sehr teuer. Was wird sie die Stadt kosten?

Dafür ist es noch zu früh. Wir wissen, wir haben große Ausfälle bei den Steuern und Gebühren. Hinzu kommen erhebliche Zusatzkosten.

Wofür?

Zum Beispiel haben wir einen Sicherheitsdienst engagiert, der unsere Ortspolizei bei den Kontrollen im öffentlichen Raum unterstützt.

Mit welchen Kosten rechnen Sie am Ende?

Dazu können wir jetzt noch nichts sagen. Nur ein Beispiel: Allein der Ausfall der Kitagebühren kostet uns pro Monat etwa 350 000 Euro. Wir haben aber erheblich mehr Ausfälle. Gebühren im Badezentrum, in der Musikschule und so weiter. Die Ausfälle bei den Steuern können wir momentan noch nicht einschätzen.

Der städtische Haushalt für die Jahre 2020/2021 sollte im Mai eingebracht werden. Ist das realistisch?

Nein, dazu hat unserer Kämmerer Wolfgang Pflumm im Moment keine Zeit. Er ist mit der Aufarbeitung aller Finanzthemen, die mit Corona zusammenhängen, voll ausgelastet. Dazu gehört beispielsweise auch die Abwicklung der Anträge auf Stundung.

Der Gemeinderat tagt im Moment nicht. Wie entscheiden Sie? Nach der ungarischen Lösung als Alleinherrscher?

Vieles darf ich in der momentanen Situation selbst entscheiden. Aber wir wollen keine ungarische Lösung. Ich bin in Videokonferenzen im Austausch mit den Fraktionsvorsitzenden. Und wir planen eine virtuelle Sitzung des Gemeinderats.

Ihre Prognose: Werden wir im September das verschobene Internationale Straßenfest feiern?

Das ist wirklich zu früh, hier zu spekulieren. Wir müssen die Entwicklungen abwarten.

Und wie ist es mit dem Weihnachtsmarkt?

Das ist unser Ziel: Der Weihnachtsmarkt soll stattfinden.