Eine Gartenschau, eine S-Bahnanbindung und die Sanierung von Schulen: Johannes Fridrich hat viel vor. Foto: Ines Rudel

Der neue Nürtinger Oberbürgermeister Johannes Fridrich spürt einen frischen Wind in der Stadt. Das Klima im Gemeinderat werde sich verbessern, meint der 41-Jährige. Große Hoffnungen setzt er in eine Landesgartenschau, um die sich Nürtingen erneut bewirbt.

Nürtingen - Johannes Fridrich, der am Donnerstag feierlich in sein Amt eingesetzt wird, hat bereits am 1. August seinen Dienst als neuer Nürtinger Oberbürgermeister angetreten. Im Gespräch erläutert der Jurist, was ihm in den nächsten acht Jahren am wichtigsten ist.

Herr Fridrich, haben Sie sich schon eingelebt im Nürtinger Rathaus?

An meinem ersten Arbeitstag, dem 1. August, wurde ich mit offenen Armen vom Team „Nürtinger Rathaus“ empfangen. Seither habe ich mich hervorragend eingelebt. Eine Einarbeitungszeit gab es nicht, es ging gleich mit einem vollen Terminkalender los.

Mit „100 Taten in 100 Tagen“ – das jedenfalls war Ihr Wahlkampf-Slogan. Eine dieser Taten ist eine Stadtputzete am 9. November. Gibt es nichts Wichtigeres zu tun?

Ich finde es wichtig, den frischen Wind im Rathaus sichtbar zu machen. Zusammen anpacken, Nürtingen gestalten, war mein Wahlkampfmotto. Mit den 100 Taten machen wir genau das: Wir gehen kleine Schritte und wir machen es im Team. Es soll kein „Wünsch dir was“-Programm sein, sondern wir setzen die machbaren Anregungen gemeinsam um. Und ganz zentral: Was ist den Bürgern wichtig? Unter den knapp 300 Anregungen der Nürtinger waren vor allem ganz konkrete Taten zu den Themen Müll und Verkehr - also nicht die großen weltpolitischen Themen, wie den Klimanotstand auszurufen.

Schulsanierung, Ausbau der Kinderbetreuung und Entwicklung der Bahnstadt: diese großen Brocken werden zig Millionen verschlingen. Woher soll das Geld kommen?

Das wird eine Herkulesaufgabe. Unter dem alten Haushaltsrecht hat man in den vergangenen Jahrzehnten, übrigens wie in fast allen Kommunen, Abschreibungen der städtischen Immobilien nicht erwirtschaftet. Jetzt sind viele Gebäude – Schulen, Turnhallen – marode. Wir schaffen die Sanierungen nur, wenn wir priorisieren nach dem Motto „eins nach dem anderen“. Es ist aber auch ein Durchführungsproblem. Unser Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft Nürtingen kann nicht alles auf einmal umsetzen, da gibt es einen Flaschenhals. Die Bahnstadt ist übrigens davon nicht betroffen, sie wird planmäßig vorangetrieben.

Muss da die Modernisierung des Hölderlinhauses und der Umbau zu einem Bildungszentrum abermals warten?

Nein, mit den Arbeiten wird Ende dieses Jahres begonnen werden.

Werden die Bürger um die Erhöhung von Steuern und Gebühren herumkommen?

Ich habe eine Haushaltssondersitzung für Oktober einberufen, und da müssen wir alle Möglichkeiten durchspielen und ein Gesamtkonzept erstellen. Natürlich müssen wir uns dabei auch an die eigene Nase fassen und uns fragen, wo wir in der Verwaltung noch sparen können. Sicherlich müssen wir auch über Gebühren reden, auch über Steuern, wobei ich mit Blick auf die sich abschwächende Konjunktur kein Freund einer Gewerbesteuererhöhung bin. Wir sind ohnehin mit dem Hebesatz schon im oberen Drittel der vergleichbaren Städte in der Region Stuttgart und ich denke, das wäre ein schlechtes Signal für die Wirtschaft.

Der Gemeinderat traf sich am vergangenen Freitag und Samstag zu einer Klausurtagung. Was stand im Vordergrund?

Bei der Klausurtagung in Tuttlingen ging es um ein neues Miteinander. In der Vergangenheit war es ja nicht immer so, dass Gemeinderat, Verwaltung und die Bürger gut zusammen gearbeitet und harmoniert haben. Das wollen wir jetzt ändern und in Zukunft wieder an einem Strang ziehen. Weitere wichtige Themen waren die Innenstadtbelebung und die Landesgartenschaubewerbung.

Wie verbessern Sie das Klima im Gemeinderat und mit den Bürgern?

Bei der Klausurtagung haben wir Wege besprochen, wie wir im Gemeinderat möglichst im Konsens gute Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürger treffen können. Denn dafür sind wir gewählt worden, dass wir die Probleme – ich sage lieber Herausforderungen – von Nürtingen konkret angehen und gute Kompromisse finden.

Kann solch ein Neuanfang klappen? Die Köpfe im neuen Gemeinderat sind überwiegend dieselben wie im alten.

Ich bin insgesamt sehr zuversichtlich, weil ich bereits im Wahlkampf eine Aufbruchsstimmung gespürt habe. Dieses Gefühl hat sich seit meinem Amtsantritt noch intensiviert. Alle Fraktionen haben die Bereitschaft zu einer guten Zusammenarbeit signalisiert. Die Stimmung bei der Klausurtagung war dementsprechend ausgezeichnet. Es gab keine Grüppchenbildung, sondern alle haben miteinander diskutiert – auch wenn nicht immer alle einer Meinung waren. Übrigens haben wir auch neun neue Stadträtinnen und Stadträte im Gemeinderat – auch das bringt frischen Wind.

Im Dezember reicht Nürtingen seine Bewerbung um eine Landesgartenschau ein. Bekommt die Stadt diesmal den Zuschlag?

Wir werden jedenfalls alles dafür tun. Es bleibt nur noch wenig Zeit, und wir müssen Nürtingens Alleinstellungsmerkmale noch besser herausarbeiten. Wir haben an unserer Hochschule für Wirtschaft und Umwelt neben der Landschaftsarchitektur elf Fakultäten, die einen wertvollen Beitrag liefern können. Die Hochschule ist ein absolutes Pfund, das möchte ich bei der Bewerbung mehr in den Mittelpunkt stellen. Bei einer Landesgartenschau geht es nicht nur um „Blümchen“, sondern auch um Stadtplanung, Mobilität, Energiewirtschaft und Kunst. Wichtig ist auch, dass die Leute wissen, von was sie begeistert sein sollen.

Nämlich?

Ich sehe die große Chance für Nürtingen in der Anbindung der Innenstadt an das Neckarufer und den Galgenberg. Wir haben uns noch nie im Ganzen überlegt, was die Bevölkerung am Neckarufer wünscht. Eine Stadt so nah am Neckar und die Chance, das Ufer zu entwickeln – und ich meine jetzt nicht, es zuzubauen – das hat nur Nürtingen. Das Riesenpotenzial wird die Kommission hoffentlich auch sehen, und dann hoffe ich auf den Zuschlag.

Warum wäre eine Landesgartenschau so wichtig?

Sie bietet die Chance, dass wir den Anschluss der Innenstadt an den Neckar schaffen. Eine Vernetzung von verschiedenen Teilen der Stadt ist eine Riesenchance für deren Weiterentwicklung. Dies wird ja nun die dritte Bewerbung Nürtingens um eine Gartenschau sein, und jetzt sind wir mal an der Reihe.

Woran wollen Sie sich am Ende Ihrer Amtszeit messen lassen? Was wollen Sie in acht Jahren erreicht haben?

Ich messe mich gerne von Jahr zu Jahr. Ich plane immer im Januar, eine Bürgerversammlung abzuhalten, um das Programm für das kommende Jahr vorzustellen und im Rückblick zu sehen, was wir im vergangenen Jahr geschafft haben und was nicht. Acht Jahre sind einfach ein viel zu langer Zeitraum, und die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht zu erfahren, was in einem Jahres passiert ist. Aber wenn Sie mich nach acht Jahren fragen, dann möchte ich, dass am Nürtinger Bahnhof die S-Bahn einläuft, die östliche Bahnstadt entwickelt ist und unsere Schulen weitgehend saniert sind. Auch beim Hochwasserschutz muss sich Vieles bewegt haben. Außerdem: die Anbindung der Innenstadt an den Neckar mit dem Stadtbalkon. Ich hoffe, dass dort die Bürger Kaffee trinken und auf unser hoffentlich belebtes Neckarufer schauen können.

Zur Person

Privat
Johannes Fridrich wurde am 11. Oktober 1977 in Tübingen geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Tübingen und Aix-Marseille in Frankreich. Der 41-Jährige ist seit zwei Jahren verheiratet mit Astrid Fridrich.

Karriere
Der promovierte Jurist war von 2014 bis 2016 Referent am Sozialministerium Baden-Württemberg. Von 2016 bis 2019 arbeitete er als Richter am Landgericht Stuttgart und war dort auch Pressesprecher. Am 5. Mai 2019 setzte er sich bei der Wahl zum Oberbürgermeister in Nürtingen gegen seinen Konkurrenten Matthias Ruckh im ersten Wahlgang mit rund 55 Prozent der Stimmen durch. Sein Amtsantritt war am 1. August.