Seinen künftigen Wirkungskreis kennt Holger Albrich seit Kindertagen – hier das Spielberger Bahnhöfle. Foto: privat

Der 48-jährige Verwaltungsjurist Holger Albrich schlug seine sechs Mitbewerber aus dem Feld und wird Bürgermeister in Sachsenheim, wo er aufwuchs. Im Gespräch erzählt er, warum es ihn zurück zu seinen Wurzeln zieht.

Sachsenheim - Am Sonntagabend feierte er seinen Wahlsieg, bis in die frühen Morgenstunden arbeitete er 150 WhatsApp-Gratulationen ab, ein paar Stunden später saß er dann schon wieder im Büro in Stuttgart. Bald wechselt Holger Albrich, Jurist im Ministerium für Soziales und Integration, die Stühle: Anfang Mai beerbt er Horst Fiedler als Sachsenheimer Bürgermeister.

Herr Albrich, von der Europäischen Kommission über ein Landesministerium ins Sachsenheimer Bürgermeisteramt: Funktioniert Karriereleiter nicht andersherum?

In meinem Fall nicht. Ich will an der Basis arbeiten und unmittelbare Rückmeldung für das haben, was ich auf die Beine stelle. Ich bin als Jurist bewusst in die Verwaltung gegangen, weil es mich ins Gemeinwesen zieht. Insofern ist für mich am Sonntag mein Lebenstraum in Erfüllung gegangen.

55 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang: Hätten Sie sich das träumen lassen?

Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Ergebnis so deutlich ausfällt, hielt es aber nach vielen Gesprächen im Wahlkampf zumindest für möglich, im ersten Wahlgang die 50-Prozent-Marke knacken zu können.

Warum wollen Sie unbedingt dorthin zurück, wo Sie aufgewachsen sind? Was macht Sachsenheim so spannend für Sie?

Groß- und Kleinsachsenheim und die vier weiteren Stadtteile bieten eine große Vielfalt und Potenziale, vor allem, wenn der Schwung und das Interesse der Sachsenheimer, die ich in überfüllten Hallen und bei Bürgerdialogen erlebt habe, erhalten bleiben. Ich will diesen offenen Austausch weiter pflegen und setze auf Kommunikation und frühe, vollständige Information. Die Menschen wollen heute bei Entwicklungen ganz anders mitgenommen werden.

Welche Entwicklungen müssen aus Ihrer Sicht vorangetrieben werden?

Zum Beispiel ein Tourismuskonzept für das wunderschöne, bisher unter dem Wert verkaufte Kirbachtal, oder die Ansiedlung von Unternehmen, die wenig Verkehr und Umweltbelastung, aber dennoch Gewerbesteuer in die Stadtkasse bringen. Auch in Sachen digitale Infrastruktur, Vereinsförderung oder Angebote für Jugendliche und Senioren gibt es Handlungsbedarf. Gerade die jungen Leute habe ich als sehr interessiert erlebt, sie haben Lust, sich zu beteiligen. Ob Wirtschaft, attraktive Innenstadt, Verkehr oder dosierte, wohlüberlegte Bebauung: Die Sachsenheimer haben das Gefühl, dass sich bei einigen Themen schon etwas zu lange nichts getan hat.

Stadtteile wie Häfnerhaslach oder Ochsenbach liegen weit weg vom Kern. Wie kann da ein Zusammengehörigkeitsgefühl wachsen?

Wir benötigen auf jeden Fall einen stärkeren, von der Stadt unterstützten Austausch, damit sich jeder als Teil eines Ganzen fühlt, ohne befürchten zu müssen, dass dadurch Identität verloren geht. Ob das auf Schul-, Vereins- oder Ortschaftsratsebene geht oder auch ganz praktisch über bessere ÖPNV-Verbindungen. Gleichzeitig kann ich mir aber ein festes Budget für die Stadtteile für Projekte vorstellen, die ihnen wichtig sind. Es wird im Sommer jedenfalls ein kompletter Neustart in Sachsenheim. Nicht nur ich fange dann ja an, sondern auch der neugewählte Gemeinderat.

Holger Albrich
(parteilos) ist 48 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Ludwigsburg. Der Verwaltungsjurist wuchs in Großsachsenheim auf, studierte an den Universitäten Aix/Marseille, Tübingen und Saarbrücken und arbeitete unter anderem bei der Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart und der Europäischen Kommission in Brüssel.