Der Karlsruher Zoodirektor Matthias Reinschmidt mit der Elefantenseniorin Jenny Foto: dpa

Matthias Reinschmidt, der Direktor des Zoos in Karlsruhe, möchte den Tierpark zum Artenschutzzentrum ausbauen.

Karlsruhe - Zoologische Gärten sind „Einrichtungen für die Zurschaustellung von Tieren“ – so steht es in den Richtlinien des Verbands der Zoologischen Gärten. Längst wird jedoch darüber diskutiert, wie sich die Tierhaltung zeitgemäß gestalten lässt. Matthias Reinschmidt, der Direktor des Karlsruher Zoos, hat große Pläne. Er will den Tierpark erweitern und zum Artenschutzzentrum ausbauen.

Herr Reinschmidt, Karlsruhe hat mit intensiver Bürgerbeteiligung ein neues Konzept für seinen Zoo entwickelt. Welche Kernbotschaft nehmen Sie daraus mit?
Wer zu uns in den Zoo kommt, soll kein Mitleid mit Tieren empfinden. Wenn man heute vor den Schimpansen steht, kann man aber durchaus solche Gefühle bekommen. Auch unsere Löwin, die jetzt 20 Jahre alt wird, hat ein recht kleines Gehege. Für ein altes Einzeltier ist das gerade noch okay, aber nicht mehr für eine Gruppe junger Löwen. Wir werden in Karlsruhe keine weiteren Löwen anschaffen. An den Menschenaffen jedoch wollen wir festhalten. Die Lebens- und Haltungsbedingungen der Schimpansen werden Stück für Stück verbessert. Alles auf einmal geht nicht.
Was ist Ihr Ziel?
Wir müssen die Gehege so naturnah wie möglich gestalten, um das Wohlbefinden der Tiere zu erhöhen. Den Besuchern wollen wir positive Eindrücke und eine Idee des Lebensraums der Tiere mitgeben.
Gehege mit gekachelten Wänden sind Ihrer Meinung nach unpassend für moderne Zoos?
Im Karlsruher Zoo finden Sie immer noch ein paar solcher Wände. Wir ändern das gerade. Doch diese Kacheln sind keine Karlsruher Besonderheit. Es ist eine Bauart, die man in den 70ern bevorzugte. Wir wollen nun aber Tieren wie Besuchern ein möglichst naturnahes Umfeld bieten. Der Mensch ist aber nur Gast.
Ihr Zoo nennt sich auch „Altersresidenz für Elefanten“. Ein Marketinggag?
Das Gelände für die alten Elefanten ist gut 1000 Quadratmeter groß – aber nicht ausreichend. Deshalb erweitern wir es in Kürze. Das hat Vorlaufzeiten, so müssen Pläne erstellt und die Mittel über den Gemeinderat freigegeben werden. Am 15. Januar beginnen wir jedoch mit den Bauarbeiten. Im Sommer sind wir hoffentlich fertig. Den Tieren stehen dann mehr als 3000 Quadratmeter zur Verfügung. Das ist laut Vorgaben groß genug für bis zu sechs Elefanten, gerade haben wir vier Tiere.
Wann hatten Sie den letzten Konflikt mit der Tierrechtsorganisation Peta?
Bei einer Anhörung im Landtag war kürzlich auch ein Vertreter von Peta anwesend. Diese Aktivisten würden am liebsten jegliche Tierhaltung abschaffen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Ein Mensch, der ohne Tierkontakt aufwächst, wird Tiere auch nie schützen. Diese Haltung von Peta ist daher für mich nicht diskutabel.
Tierhaltung ist also eine Chance für Menschen, den Umgang mit Tieren zu lernen?
Der Kontakt des Menschen zu Tieren ist eine besondere Erfahrung. Das fängt beim Haustier an. Man bekommt dadurch einen Bezug zur Natur. Ich selbst hatte das Glück, naturnah aufzuwachsen. Ich hatte Haustiere. Und es gab unter anderem einen Bach, in dem ich Kaulquappen beobachten und Frösche suchen konnte. Das fehlt heute vielen Stadtmenschen.
Zoos sind Bildungseinrichtungen, sie betreiben Natur- und Artenschutz und sollen zudem ein Erholungsort und Ausflugsziel sein. Was ist für Sie am wichtigsten?
Ganz klar der Artenschutz. Denn damit versuchen wir auch, die Menschen zu begeistern. Zwei Dinge sind dabei wichtig: zum einen die Zucht zur Erhaltung bedrohter Arten. Zum anderen halten wir Tiere quasi als Botschafter ihrer Art für ihre Kollegen im Freiland. Meine Vision ist, dass jeder Lebensraum im Zoo mit einem konkreten Projekt in der Natur verbunden wird, für das wir im Zoo dann auch Geld sammeln können.
Sie sind seit zwei Jahren hier Direktor. Welche Projekte haben Sie seither umgesetzt?
Der wichtigste Schritt war 2016 die Gründung der Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe. Das ist für uns ein Meilenstein in der Zooentwicklung – und wir haben damit begonnen, Projekte anzustoßen. Wir kaufen beispielsweise Gelände in Ecuador und lassen gerodete Flächen mit heimischen Baumarten aufforsten. Zudem unterstützen wir ein Waisenhaus für junge Elefanten in Sri Lanka. Dort werden die Tiere nach einer gewissen Zeit wieder ausgewildert. Zur Kontrolle bekommen sie Senderhalsbänder. Die sind teuer, aber wir konnten schon mehrere finanzieren. Und schließlich, was meiner Passion für Papageien geschuldet ist, ein Projekt für Kakadus in Indonesien.
Wo steht Karlsruhe beim Thema Artenschutz Ihrer Ansicht nach im Vergleich mit anderen Zoos im Südwesten?
Basel ist ein Vorreiter. Die haben 2016 den Artenschutz-Franken eingeführt. Ein Franken des Eintrittspreises geht automatisch an Artenschutzprojekte, das kann ich mir auch für Karlsruhe vorstellen. Doch eine Stiftung, wie wir sie hier nun haben, hat bisher kein anderer Zoo im Südwesten. Auch da kam schon Geld zusammen.
Die Vorgaben für die Tierhaltung ändern sich ständig. Haben Zoos eine Zukunft?
Wenn wir keine Zoos hätten, müssten wir sie erfinden – speziell für Stadtkinder. Für viele ist das der einzige Kontakt zur Tierwelt. Wir sind in Karlsruhe auf einem guten Weg, uns als moderner Zoo als Natur- und Artenschutzzentrum zu etablieren.
Wie sieht ein zukunftweisender Zoo aus?
Die Besucher sollen Tiere erleben, sie sehen, riechen und beobachten – ähnlich wie in der Natur. Wir wecken das Interesse der Menschen an den Tieren und wollen Informationen vermitteln. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit Freude. Im Idealfall wird dabei das Bedürfnis geweckt, sich für Tiere und Natur generell einzusetzen. Wir haben rund eine Million Besucher im Jahr. Der Zuspruch gerade von jungen Menschen macht mir Hoffnung.