Akrobatik in Frack und Strapsen: Szene aus „Paul Abraham, der Operettenkönig“ mit Jörg Schüttauf und Susanne Bard Foto: Bo Lahola

Der einstige „Fahnder“- und „Tatort“-Star Jörg Schüttauf gastiert am Sonntag mit einem Stück über den Berliner Komponisten Paul Abraham in Fellbach. Im Gespräch berichtet der 58-Jährige von seinen ersten Schritten im Westen und den Stationen seiner TV-Karriere.

Fellbach - Was für eine nette Überraschung direkt nach der redaktionellen Morgenkonferenz. Am Abend zuvor hat man noch Fragen an die Agentur geschickt, jetzt bimmelt das Telefon, und umgehend sprudelt es nur so aus dem Hörer: „Ja hallo, hier Schüttauf, wir wollen doch ein Interview machen.“ Die Fragen ausgedruckt vor sich, paddelt der renommierte Schauspieler an seinem freien Tag „bei herrlichem Sonnenschein“, wie er schwärmt, über den Schwielowsee nahe seines Wohnorts bei Potsdam. Per Headset plaudert er aus seinem Leben und über die Aufführung von „Paul Abraham – Der Operettenkönig von Berlin“, mit der Jörg Schüttauf am nächsten Sonntag, 26. Januar, um 19 Uhr in der Fellbacher Schwabenlandhalle gastiert.

Herr Schüttauf, Hand aufs Herz: War die Operette für Sie schon ein Lieblingsgenre, bevor Ihnen diese Rolle angeboten wurde?

Na, Sie werden sich wundern, aber die Operette war tatsächlich mein erstes bewusstes Erlebnis in einem Theatersaal. Da war ich mit sechs Jahren mit meiner Oma im Opernhaus in Karl-Marx-Stadt, wie es damals ja noch hieß, und diese Tänzeleien, die Gesänge, der Rhythmus, die schöne Musik und dann noch dieser betrunken torkelnde Gefängnisdirektor – das alles war so lustig, dass ich mich bis heute an dieses Vergnügen erinnere. Das Ganze hat mir damals so gut gefallen und mich so beeindruckt, dass direkt danach der zündende Funke kam und ich mir gesagt habe: Ich werde auch Schauspieler.

Paul Abraham, der Operettenkönig: Müsste er als Erfinder wunderbarer Melodien heute nicht deutlich mehr Beachtung finden?

Das stimmt. Abraham hatte ein lautes, aber kurzes Leben in Deutschland. Sein Lebenslauf ist wahnsinnig spannend, wenn man sich die Zeit nimmt und sich mit ihm beschäftigt. Ein bunter, heller Charakter, der eingängige, tolle Melodien geschrieben hat, ein schillernder Star der Operettenwelt, ein bisschen durchgeknallt – daher wohl die Idee, mich mit ihm zu besetzen. Aber Spaß beiseite, er ist als ungarischer Jude vor den Nazis ins Exil gegangen, hatte am Ende ein trauriges Schicksal, ist verarmt in einer Anstalt gestorben. Erst in den letzten Jahren sind seine zwischenzeitlich in Vergessenheit geratenen Werke wieder öfter zu hören, er erfährt eine Wiedergeburt. An der Komischen Oper in Berlin läuft das hervorragend, der Intendant dort ist ganz begeistert und bringt immer mal wieder eine weitere Premiere auf die Bühne, so vor einem halben Jahr Abrahams Fußball-Operette von 1936 „Roxy und ihr Wunderteam“ oder jetzt erst, ganz kurz vor Weihnachten, „Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus“. Da muss man zwei Jahre vorher Karten bestellen.

Und wie steht es um Ihre Sangeskünste, wird man Sie auf der Bühne der Schwabenlandhalle trällern hören?

Ich glaube, ich habe schon einen gewissen Rhythmus, aber ein Sänger bin ich nicht. Aber dafür ist ja meine Kollegin Susanne Bard dabei mit ihrer tollen Sopranstimme. Wir sind insgesamt nur drei Leute auf der Bühne, ich als Abraham, Susanne in 100 verschiedenen Rollen, so etwa als meine Frau, und Pianist Jens-Uwe Günter. Wir kennen uns alle aus den 80ern von der Theaterhochschule Hans Otto in Leipzig. Jens-Uwe hat mich damals innerhalb von 14 Tagen von einem Nicht-Sänger zu einem talentierten Chansonnier gemacht, sodass ich in der Prüfung sogar eine Eins bekam. Mit dem „Abraham“ sind wir seit fünf Jahren mit längeren Pausen immer mal wieder unterwegs, hatten etwa in Hamburg-Altona 40 Vorstellungen, oder auch zehn Abende in Dieter Hallervordens Schlosspark-Theater in Berlin. Also ich kann sagen, das Projekt hat sich geloht, das ist das Beste, was ich seit Langem guten Gewissens gemacht habe.

Sie waren bisher zweimal in der Schwabenlandhalle: 2002 im Zwei-Personen-Stück „Besuch bei Mr. Green“ und 2007 mit „Tagträumer“. Erinnert man sich an solche Gastspiele, oder verschwimmt das im Tournee-Theater-Alltag?

An Ihre Schwabenlandhalle kann ich mich noch gut erinnern, das ist eine der größten, in der ich je gespielt habe. Vor allem der „Mr. Green“, das war ein tolles Stück mit dem tollen Kollegen Alexander May, der leider nicht mehr lebt. Ein schöner Abend bei meiner ersten Tournee damals.

Sind Sie denn gerne auf Tournee?

Nach der Wende war ich ja freischaffend tätig, konnte mir einiges aussuchen, hatte etliche TV-Engagements. Doch die Tournee damals habe ich bewusst gemacht, um auch geografisch Westdeutschland kennenzulernen, nach dem Motto: Was gibt’s denn da drüben alles? Das war mir wichtig, um die Landschaften, die Leute, den Dialekt kennenzulernen.

Der „Abraham“ ist Ihre dritte Tournee?

Stimmt. Das sind immer kurze Abschnitte. Ich kann es mir ja inzwischen leisten, nicht mehr überall rumzuturnen. Ich mache viel Fernsehen, da blockieren 30 Vorstellungen am Stück natürlich. Deshalb sind wir vor allem am Wochenende unterwegs, damit ich für die Filmdisposition unter der Woche Zeit habe. Und so tingele ich umweltfreundlich zumeist mit der Bahn, zweite Klasse, durch Deutschland, mal nach Kempten, ins Stadttheater Lippstadt, Theater Neumünster, zu den Kammerspielen Magdeburg, ins Konzerthaus Solingen, und dazwischen nach Hause.

Und in der Bahn werden Sie dauernd erkannt und angesprochen?

Ach, das hält sich in Grenzen, allenfalls, wenn mal wieder ein Tatort wiederholt wird. Aber ich habe mich dran gewöhnt. Und wenn man wie ich so weit draußen lebt, in dieser Ruhe – ich bin gerade hier mit meinem Boot der einzige weit und breit auf dem See – dann ist das das beste Kontrastprogramm. Aber oft sind es bei Auftritten im Westen ehemalige Ossis, die mich aus dem DDR-Fernsehen kennen und nach der Vorstellung vor der Garderobe fragen: Nu, wo is’n dr Schüttouf?

Erstmals im Westen und auch mir bekannt wurden Sie ab 1992 als „Fahnder“.

Da war ich der jüngste Ermittler im deutschen Fernsehen. Aber ich wusste damals ja gar nicht, was ich beerbe. Ich konnte den Vorabend im Westfernsehen bei uns gar nicht angucken, Und ich war eben nicht der Wennemann, das hat etliche Fans ziemlich gestört.

Später kam der „Tatort“ Frankfurt, 18-mal verkörperten Sie Kommissar Fritz Dellwo.

Ja, sieben Jahren hatte ich Pause nach dem ‚Fahnder’, dann hat mich der berufliche Ehrgeiz gepackt, und ich wollte endlich wissen, wie man eine solche Figur noch anders anlegen kann als „wo waren Sie gestern Abend um 20 Uhr?“ Aber 2009 dachte ich, du musst wieder raus – und ich empfand keine Trauer, als es vorbei war, eher ein großes Erstaunen, dass es überhaupt so lange ging. Es ist schwierig, aus diesem Schubladendenken wieder rauszukommen. Aber ich will mich nicht beschweren, ich habe in meiner Karriere viele Facetten zeigen können, ich bin zufrieden, mal Tournee, dann wieder Komödie oder die eine oder andere ernste Sache zu machen.

In Ihrer Vita ist von Ihrer Leidenschaft für zwei wie zweimal vier Räder zu lesen – also Motorrad und Inliner. Wie sieht’s aus?

Also das mit dem Motorrad ist vorbei, das habe ich gecrasht, es wurde abgeschleppt. Aber mit Inlinern bin ich hier häufig unterwegs, wir haben einen super neuen Fahrradweg, da kann man auf dem Deich der Havel um den See rum rauschen. Da bin ich mit meinen Stöckern unterwegs, die haben unten so Gumminoppen, und nehme Tempo auf mit dem gleichen Skating-Schritt wie beim Ski-Langlauf und überhole dann gern die Radfahrer – das macht Spaß, selbst mit fast 60 Jahren.

Vom Bühnentechniker zum Schauspieler

Jörg Schüttauf wird am 26. Dezember 1961 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) geboren. Nach der Schule folgt im Opernhaus eine Lehre zum Bühnentechniker – ein Jahr in der Tischlerei, das zweite als Kulissenschieber. Seine Abschlussarbeit handelt von „Bühnenaufbauten in der Operette ‚Fledermaus’“.

Die Theaterhochschule in Leipzig schließt er 1986 ab, spielt danach am Theater Potsdam und ist in etlichen DDR-Filmen zu sehen. Nach der Wende erzielt er bundesweite Aufmerksamkeit durch TV-Hauptrollen im „Fahnder“ sowie 18-mal als Kommissar Dellwo im „Tatort“ aus Frankfurt. 2017 sorgt er in einer Komödie als Erich Honecker für Furore. Der 58-Jährige lebt bei Potsdam, ist verheiratet und hat eine Tochter.