Ein eingespieltes Team: Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt moderieren seit zehn Jahren gemeinsam die NDR-Talkshow. Foto: NDR

Was man von Frauen alles lernen kann, weiß Hubertus Meyer-Burkhardt. Der TV-Produzent, Autor und Gastgeber der NDR-Talkshow hat viele interessante Frauen getroffen und tiefgründige Gespräche mit ihnen geführt. Warum er trotzdem keine Frau sein möchte, verrät er im Interview.

Stuttgart/ Hamburg - Man kennt Hubertus Meyer-Burkhardt als Gastgeber der „NDR Talk Show“. Gemeinsam mit Barbara Schöneberger moderiert er seit zehn Jahren die Talk-Sendung, in der das Moderatoren-Duo Prominente und Nicht-Prominente zu allen möglichen Themen befragt. Außerdem lädt er seit 2014 Frauen für den Radiosender NDR Info zu Gesprächen ein. Eine Auswahl davon hat er in dem Buch „Frauengeschichten“ veröffentlicht. Der Untertitel lautet: „Was ich von starken Frauen gelernt habe“. Was genau, erklärt er im Interview. Ein Gespräch über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern, glückliche Leichen und Flirten auf Schwäbisch.

Herr Meyer-Burckhardt, reden wir über Frauen. Wären Sie manchmal gerne eine Frau?
Nein. Das ist eine Erfahrung, die ich nicht machen möchte. Ich bin sehr gerne Mann und möchte mir diesen Mythos des Unbegreiflichen, Zauberhaften und manchmal schwer zu Verstehenden gerne erhalten. Daher möchte ich nicht hinter die Kulissen blicken.
Warum nicht?
Das ist wie bei einem Völkerkundler, der sagt, ich betrete viele Länder gern, aber dieses Land möchte ich nicht betreten. Dem Land bringe ich viel Respekt und Empathie entgegen, aber ich möchte es nicht durchdringen, analysieren und verstehen.
Sie befragen interessante Frauen zu allen möglichen Themen. Welche Frauen haben Sie besonders beeindruckt?
Da fällt mir spontan Elke Heidenreich ein. Einmal habe ich sie spaßeshalber die deutsche Antwort auf Keith Richards genannt. Ich kenne kaum eine Frau in meinem Umfeld, die so eine Stärke, so einen Humor und so eine Autorität des Herzens hat. Und der Schauspielerin Erika Pluhar habe ich den schönen Satz zu verdanken, der in mein Leben Eingang gefunden hat: Das Leben ist auch dann ein Geschenk, wenn es dir nichts geschenkt hat.
Und was haben Sie von starken Frauen gelernt?
Ich meine zu beobachten, dass Männer sich teilweise schneller in einer Larmoyanz und einem gewissen Selbstmitleid verlieren. Das ist bei Frauen, warum auch immer, nicht so. Sie haben eher Energie, sich selbst aus schwierigen Situationen wieder zu befreien.
Im Januar haben Sie das 10-jährige Dienstjubiläum mit Barbara Schöneberger als Moderationspartnerin der NDR-Talkshow gefeiert. Was haben Sie von ihr gelernt?
Wir sind seelenverwandt, deshalb haben wir nicht unbedingt etwas voneinander gelernt, aber wir haben einen ähnlichen Blick auf berufliche und persönliche Dinge, haben ähnliche Lebensentwürfe. Barbara und ich sind Freunde geworden. Das ist im Berufsleben ja nicht so oft der Fall. Barbara ist von ihrem immensen Erfolg völlig unbeeindruckt, das finde ich bemerkenswert.
Sie sagen: Männer seien eher rational und statusorientiert, Frauen eher emotional und beziehungsorientiert. Ist das nicht eine sehr konservative Sicht auf die Geschlechter?
Männer antworten generell eher in ihrer Funktion, Frauen eher als Person. Frauen werden aus meiner Erfahrung im Alter tendenziell anarchisch, humorvoll und dem Moment verpflichtet. Männer hingegen werden statusbewusster. Mit zunehmenden Alter werden Männer oft in ihrer Funktion in Frage gestellt, das irritiert sie häufig sehr.
Was heißt eigentlich „starke Frau“?
Ich spreche lieber von starken Menschen. Ein starker Mensch ist für mich jemand, der sich die Frage stellt, was ist eigentlich mein Lebensentwurf, was sind meine Bedürfnisse, meine Sehnsüchte, meine Ideen und versucht, all dem sehr nahe zu kommen.
Die sich ihrer selbst bewusst sind?
Richtig. Damit meine ich aber nicht selbstbewusst im landläufigen Sinn, sondern Menschen, die sich im Klaren über ihre Persönlichkeitsstruktur, ihre Stärken sowie Schwächen sind und versuchen, damit zu leben. Stärke bedeutet für mich auch, dass sich ein Mensch der Endlichkeit seines Lebens bewusst ist, sich dieser Endlichkeit verpflichtet fühlt und versucht, sich in dieser überschaubaren Zeitspanne so zu entwickeln, sodass er sagen kann: es war ein gutes Leben. Ich zitiere die Journalistin Meike Winnemuth aus einem Gespräch mit mir auf die Frage, welches Lebensziel sie hat: „Ich möchte eine glückliche Leiche werden.“ Schöner kann man es eigentlich nicht sagen.
Frauen und Männer – ein lebenslanges Missverständnis. Stimmen Sie dem zu?
Nein, eigentlich nicht. Was ich aber glaube, ist, dass die Notwendigkeit, sich wirklich auszutauschen und vor allem dem anderen zuzuhören, unterschätzt wird. Man verpasst etwas, wenn man sich nicht zuhört, sich nicht gegenseitig auch Wünsche, Sehnsüchte und traumhafte Vorstellungen vom Zusammensein vermittelt.
Warum trennen sich heute viele Menschen schneller als früher?
Weil wir in einer Zeit leben, in der man nicht mehr über Jahrzehnte in einer Beziehung bleiben muss. Viele Frauen sind nicht mehr wirtschaftlich abhängig, geschiedene Frauen werden heutzutage nicht mehr stigmatisiert, so wie es zum Beispiel bei meiner Mutter der Fall war. Es ist leichter, ein Leben zu entwickeln, das einem selbst entspricht, weil man die Möglichkeit hat zu gehen. Wenn ich Stimmen höre, die sagen, Menschen trennen sich heutzutage so leicht und die Kinder leiden darunter, dann denke ich: Wie viele Kinder haben über Jahre darunter gelitten, gerade weil die Eltern zusammen geblieben sind?
Sie haben einmal gesagt, in München flirte es sich einfacher als in Hamburg. Wie kommen Sie darauf?
Die Katholiken sind einfach besser drauf und haben einen anderen Spirit. Ich habe in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und München mehrere Jahre gelebt und bin selbst protestantisch geboren, inzwischen aber kein Kirchenmitglied mehr. In den katholischen Gegenden wird mehr Geld für Lebensmittel ausgegeben, mehr Wein getrunken, mehr Farbe getragen. Ich erlebe in Wien, Salzburg, München oder Köln eine andere Form der Sinnlichkeit als in Hamburg, Frankfurt oder Bremen.
Haben Sie auch Erfahrungen mit der schwäbischen Art des Flirts gemacht?
Vor langer Zeit hatte ich eine große Liebe im Schwäbischen, Ende der 70er Jahre nach dem Abitur. In Stuttgart war ich immer gerne, mochte die Besenwirtschaften, die Lyoner Wurst beim Metzger um die Ecke, den schwäbischen Rostbraten. Ich war bei Marcia Haydées Abschiedsabend in der Oper, habe Peymann-Inszenierungen gesehen. Stuttgart war eine Zeit lang ein zentraler Ort meines Lebens.
Ich habe nach der schwäbischen Art des Flirts gefragt.
Damals hatte ich doch nur Augen für meine große Liebe und deshalb fehlt mir der Vergleich mit anderen schwäbischen Frauen! Aber grundsätzlich kann ich sagen, dass in Schwaben so eine verschmitzte Freundlichkeit herrscht und ein Selbstvertrauen, das sich mit Humor paart, das hat mir immer sehr gut gefallen.
Ihre Großmutter hat gesagt: „Das Leben ist kurz, auch wenn es lang ist.“ Welche Haltung steckt dahinter?
Meine Großmutter hat zwei Weltkriege überlebt und nie den Humor und die Zuversicht verloren. Es stand immer eine Flasche Wein auf dem Tisch und ihre Devise war: „Wir hoffen auf das Beste und rechnen mit dem Schlimmsten.“ Und so fuhrwerkte sie sich wie ein korsischer Bergesel durchs Leben. Sie fand, dass sie ein Anspruch auf ein gutes Leben hatte und wenn die Hürden auch oft hoch waren, das Geld für ein Glas Rotwein am Abend hatte sie immer.
Finden Sie es manchmal schade, dass Sie nicht mehr jung sind?
Absolut nicht. Manchmal finde ich es schade, dass die Zeit endlich ist, weil ich so wahnsinnig gerne lebe. Aber jung sein möchte ich nicht mehr, da ich heute einfach wahnsinnig glücklich bin, im Hier und Jetzt lebe und eine unglaubliche Wertschätzung meiner Lebenszeit gegenüber empfinde. In meinem Jahrgang ist das statistische Sterbealter 84, das sind noch 22 Jahre. Ich bin in „good shape“, ernähre mich gesund, mache viel Sport und trinke gerne ein Glas Wein. Mal schauen, wie lange der liebe Gott mitmacht, ich sehe das gelassen und heiter.

Das Gespräch führte Simone Höhn.

Info:

Hubertus Meyer-Burckhardt, 1956 in Kassel geboren, ist Fernsehproduzent, Moderator, Journalist, Manager in der Medienbranche sowie Schriftsteller. Für den Film „Meine fremde Freundin“ erhielt er unlängst dem Hamburger Produzentenpreis. Bekannt wurde Meyer-Burckhardt als Gastgeber der „NDR Talk Show“, die er von 1994 bis 2001 gemeinsam mit Alida Gundlach moderierte. Nach einer Pause ist er seit 2008 wieder Gastgeber der „NDR Talk Show“, gemeinsam mit Barbara Schöneberger. Beim Radiosender NDR Info hat er seine eigene Talkshow „Frauengeschichten“. Meyer-Burckhardt ist Vater von zwei Kindern und mit der Journalistin Dorothee Röhrig verheiratet.

Das Buch „Frauengeschichten – Was ich von starken Frauen gelernt habe“ ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen (250 Seiten, 19,99 Euro).