Der Lehrer und sein Schüler: Helmut Groß (Mitte) und Ranf Rangnick (re.) Foto: Gepa Pictures/RB Leipzig

Helmut Groß ist ein Fußball-Liebhaber und ein Trendsetter. An diesem Freitag feiert der Geislinger Mentor von Ralf Rangnick und Erfinder der Raumdeckung in Württemberg seinen 70. Geburtstag. Ein Gespräch über Taktik, Potenzial und den VfB Stuttgart.

Stuttgart - Helmut Groß hat eine ganze Generation von Fußballtrainern geprägt. Er berät seit vielen Jahren Ralf Rangnick und Markus Gisdol, aber auch Thomas Tuchel, Roger Schmidt oder Alexander Zorninger hat er mit seiner Herangehensweise inspiriert. „Wir stürmen immer“, sagt der Geislinger über sein Konzept der ballorientierten Raumdeckung.Der wissbegierige ehemalige Brückenbauingenieur hat vor mehr als 30 Jahren in Württemberg die ballorientierte Raumdeckung eingeführt. Sein Ziel ist es auch mit 70 Jahren sich auf hohem Niveau Stück für Stück weiterzuentwickeln

Herr Groß, Lernfähigkeit sei keine Frage des Alters, heißt es. Gibt es etwas, was Sie kurz vor Ihrem 70. Geburtstag dazugelernt haben?
(überlegt lange). Beim Spiel RB Leipzig - Borussia Dortmund (1:0, Anm. d. Red.) musste ich erstmals feststellen, dass man vom Fußballschauen auf der Tribüne Kopfweh bekommen kann.
Das Spiel war doch gar nicht so schlecht?
Die Kopfschmerzen kamen vom Mitdenken. Ich erlebte, welch überragende, fast schon surreale Qualität auf dem Platz herrschte. Was Dortmund an planvoller und individueller Klasse abruft, ist Wahnsinn, das ist ganz nahe an der Weltspitze.
Und davon bekommt man Kopfweh?
Ich war ja praktisch in jedes Detail involviert. Ich kenne die Spielphilosophie ganz genau und weiß daher, was in jeder Situation die richtige Handlung, die richtige Lösung wäre: Wann muss man Einrücken, wann draufgehen, wann den Mitspieler unterstützen? Diese Komplexität bei enormem Tempo und unglaublicher Dynamik mitzuverfolgen, ist anstrengend. Zumindest in meinem Alter (schmunzelt).
Wie oft sind Sie denn in Leipzig vor Ort, und was ist Ihre konkrete Aufgabe bei RB?
Ich bin jede zweite Woche drei Tage am Stück dort. Offiziell bin ich Assistent von Sportdirektor Ralf Rangnick.Neben der Traineraus- und Weiterbildung ist meine Aufgabe die ständige Fortentwicklung unserer Spielphilosophie. Dazu werden sogenannte Weltstands-Analysen erstellt.
Weltstands-Analysen?
Wir sind den entscheidenden Parametern für ein perfektes Spiel weltweit auf der Spur. Lange Zeit hat sich viel in Südamerika getan, in den vergangenen zehn Jahren verstärkt in Europa. Auch deutsche Trainer wie Ralf Rangnick, Thomas Tuchel oder Roger Schmidt, den wir in Salzburg gefördert haben, sind mit ihren Ideen auf ganz hohem Niveau nicht weit weg vom dem, was international bahnbrechend ist.