Max Tidof als Shakespeares Richard III., dem größten Schurken der Weltliteratur Foto: Jorinde Gersina

Wenn Regisseure ihre Schauspieler und Schauspielerinnen demütigen – ein Gespräch mit Max Tidof, der von diesem Freitag an im Alten Schauspielhaus in Stuttgart als Richard III. zu sehen ist.

Stuttgart - Man hört es seiner dunklen, markanten und gut durchgeräucherten Stimme an: Max Tidof, in Film und Theater gleichermaßen zuhause, qualmt noch immer seine fünfzig Gitanes am Tag. Mit ihrem absoluten Rauchverbot macht ihm die Deutsche Bahn, mit der er jetzt häufig zwischen München und Stuttgart pendelt, das Leben nicht gerade leichter: Am Freitag kommt im Alten Schauspielhaus Shakespeares „Richard III.“ raus – mit dem 57-jährigen Tidof in der Titelrolle.

Herr Tidof, Sie spielen demnächst den größten Schurken der Weltliteratur, Richard III. Wie wollen Sie diese Herausforderung meistern?

Durch viel Arbeit! Ich spiele eng am Text entlang, der sehr gewaltig ist. Und das Böse stellt man nicht dar, indem man böse guckt. Im Gegenteil: Wenn jemand eine Waffe in der Manteltasche hat, mit der er jeden töten kann, tarnt er sich mit Freundlichkeit. Die Strategie, die er zur Machtergreifung verfolgt, ist natürlich alles andere als freundlich.
Shakespeares Drama liest sich tatsächlich wie ein Archiv aller denkbaren Ungeheuerlichkeiten, zu denen ein Mensch fähig ist.
Stimmt. Aber im Unterschied zu allen anderen Bösewichten entscheidet sich Richard aus freien Stücken für das Böse. Da ist keine schlimme Biografie, die seine Monstrosität erklären könnte. Ihm ist das Leben einfach fad, darum lügt, heuchelt, mordet er. Seine Feinde in den Kerker zu werfen, reicht ihm nicht. Er schlachtet sie ab. Von diesem Bösen geht auch eine enorme Verführungskraft aus, die ich in meiner Figur aufleuchten lassen will. Richard überschreitet auf bestialischste Weise permanent Grenzen – das kann in einer bürgerlichen Welt wie der unsrigen, die noch die geringste Grenzüberschreitung ahndet, von finsterster Faszination sein.
Sie selbst blicken auf eine sehr unbürgerliche Biografie zurück. Schulabbruch, Drogen, keine Ausbildung, häufig wechselnde Wohnsitze – auch wenn Ihr wildes Leben jetzt vorbei ist: Laden Sie Richard mit diesen Erfahrungen auf?
Man muss nicht jede Erfahrung selber gemacht haben, um sie auch spielen zu können. Sonst könnten Mörder nur von Mördern verkörpert werden. Aber natürlich bist du als Schauspieler immer dabei, Erfahrungen aus deinem Leben für die Arbeit vor der Kamera und auf der Bühne abzusaugen. Wenn ich mich mit jemandem streite, beobachte ich, wie meine Erregung ansteigt, wie ich dann extrem ruhig werde und dann platze. Diese Beobachtung kann ich professionell nutzen.