Hannes Ametsreiter (Vodafone, links) und Andreas Schierenbeck (Thyssen-Krupp) in Deutschlands höchstem Büro. Foto: Ralf Graner

Wozu braucht ein Aufzughersteller heute einen Mobilfunkbetreiber als Partner? Andreas Schierenbeck, Chef von Thyssen-Krupp Aufzüge und Hannes Ametsreiter, Deutschlandchef von Vodafone, erklären den Grund.

Rottweil - Der Blick aus 232 Metern Höhe ist an einem sonnigen Herbsttag atemberaubend. Im Süden sind die Schweizer Alpen im Dunst zu erkennen. Kein Wunder, dass sich die erst im Oktober 2017 eröffnete Besucherplattform im Aufzugs-Testturm von Thyssen-Krupp in der Nähe von Rottweil sich zum Magneten entwickelt hat. „Wir hätten nie geglaubt, dass es so einen Andrang gibt“, sagt Andreas Schierenbeck, der Chef von Thyssen-Krupp Aufzüge. Bis zu 4500 Menschen suchen jedes Wochenende von Freitag bis Sonntag den Ausblick von der rundum verglasten Plattform – und sie könnten, zumindest potenziell, auch einen Beitrag zur Zukunft leisten. Anhand von Mobildaten ließe sich theoretisch nachvollziehen, wo sich Leute im Gebäude befinden. „Im Falle einer Evakuierung wäre das eine absolut wichtige Information“, sagt Schierenbeck. „Das Gebäude gehört uns, hier können wir solche Sachen außerhalb des Besucherverkehrs testen. Wo geht das sonst?“ Mit seinem Geschäftspartner Hannes Ametsreiter, Deutschlandchef des Kommunikationskonzerns Vodafone, sitzt er im Turm in Deutschlands höchstem Büro.

Hinter der Vernetzung muss ein Geschäft stehen

Wenn es um die Gegenwart geht, bleibt der studierte Elektroingenieur nüchterner Geschäftsmann. Das Thema Vernetzung werde oft missverstanden. „Wir können theoretisch alles Mögliche nachverfolgen. Aber für mich ist die entscheidende Frage, ob ein Geschäft darin steckt“, sagt Schierenbeck: „Ich finde eine um die Hälfte reduzierte Ausfallzeit, ist schon eine gute Vision“, sagt er. Aufzüge sollen per Mobilfunk und Internet Probleme melden. Man will Defekte vorhersagen, bevor etwas ausfällt.

120 000 Aufzüge können inzwischen so kommunizieren: „Deshalb sind wir auf das Thema Vernetzung gekommen, und nicht deshalb, weil wir auf einmal einen Sensor haben und uns fragen: Was können wir damit machen?“ Die Daten aus den bestehenden Steuerungseinheiten liefern, was man braucht. „Eine einfache SIM-Karte, wie sie aus jedem Mobiltelefon bekannt ist, schafft die Voraussetzung für die Vernetzung. Sie transportiert Daten. Damit können Dinge sprechen“, sagt Ametsreiter.

Bestehende Daten reichen vorerst aus

120 000 Aufzüge, das wirkt auf den ersten Blick wie eine imposante Zahl. Doch insgesamt vernetzt allein Vodafone per Mobilfunk heute schon 74 Millionen Objekte. In einigen Jahren würden es weltweit über alle Anbieter hinweg 75 Milliarden sein, sagt Ametsreiter. Die Königsdisziplin für die Mobilfunkanbieter seien vernetzte Autos: „Natürlich gibt es mehr Autos als Aufzüge“, sagte Ametsreiter. „Mehr als 14 Millionen Fahrzeuge funken bereits in unserem Netz.“ Zuverlässigkeit und gute Durchdringung in Gebäuden ist bei Aufzügen wichtiger als Tempo. „Wir brauchen nicht gleich eine Echtzeitinformation über eine Aufzugpanne“, sagt der Chef von Thyssen-Krupp Aufzüge. Und teuer darf es auch nicht sein. Im Aufzug gibt es Strom, es braucht keine Batterie und besonders klein muss die Kommunikationsbox nicht sein. „Was mir am meisten imponiert hat, ist die Tatsache, dass Sie im Werk die SIM-Karte einbauen können und es dann vollkommen egal ist, wo auf der Welt sie am Ende landet: Nach dem Einbau meldet sie sich automatisch, Sie können sie aktivieren und deaktivieren, ohne vorher irgendetwas konfigurieren zu müssen,“ sagt Schierenbeck. Mobilfunk ist eben global standardisiert. „In vielen Ländern funkt unser eigenes Netz, in den meisten weiteren haben wir Kooperationspartner“, sagt Ametsreiter. Beim Thema Aufzüge habe er gelernt, dass auch das ein „Innovationskunstwerk“ sei, etwa ein im Rottweiler Turm erprobtes Modell, das nicht mehr an Seilen hängt, sondern an Magneten geführt wird. „Es braucht weniger Platz. Der Aufzug kann seitwärts fahren.“ Auch die Aufzugsbranche erfinde sich neu: „Das begeistert mich.“

Höher, schneller, weiter – auch beim Aufzugsbau

Die Herausforderungen werden größer. „Wir können heute Gebäude höher bauen als wir Aufzug fahren können. Da ist bei 600 bis 700 Metern Schluss“, sagt Schierenbeck. Im höchsten Gebäude der Welt in Dubai müsse man mehrfach den Aufzug wechseln: „Das dauert von unten bis oben bis zu 40 Minuten. Das sind wie zehn bis 20 Kilometer Pendlerentfernung.“ Wenn künftig beim Magnetaufzug etwa mehrere Kabinen in einem Schacht fahren, werde das drastisch schneller. „Viele Dinge, die heute noch visionär sind, sind in fünf bis sechs Jahren machbar.“ Vor allem will man Menschen besser lenken. „Neue Technologien machen das möglich: Wir wollen mit aggregierten und anonymisierten Mobilfunkdaten Menschenströme analysieren und verstehen“, sagt Ametsreiter. So könne man Wartezeiten verringern. „Vielleicht kann man ja irgendwann einmal eine Nachricht aufs Smartphone schicken, die besagt: Wenn du jetzt mit dem Aufzug zur Kantine fährst, ist die Wartezeit viel kürzer als in zehn Minuten,“ sagt Schierenbeck.