Das Klinikum der Stadt soll in ruhigeres Fahrwasser geführt werden. Ausländische Patienten werden nicht mehr über Vermittler angeworben. Foto: Horst Rudel, Lichtgut/Achim Zweygarth

Die International Unit, die das Geschäft des städtischen Klinikums mit ausländischen Patienten abgewickelt, wird in der bisherigen Form aufgelöst. Damit zieht die Stadt die Konsequenzen aus einem gescheiterten Geschäft mit Patienten aus Libyen und einem nicht weniger erfolglosen Beratervertrag mit Kuwait.

Stuttgart - Die International Unit (IU) hat dem städtischen Klinikum einige Jahre gute Einnahmen beschert. Missglückte Geschäftemit Patienten aus Libyen und mit einem Krankenhaus in Kuwait haben den größten Klinikkomplex Stuttgarts aber auch in Verruf gebracht. Nun gibt es einen Neustart.

Zum Jahresbeginn wurde die IU „als eigenständige Einheit des Klinikums aufgelöst“, sagt Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU). „Der Staat im Staate wird in die normalen Steuerungs- und Kontrollsysteme überführt.“ Was nicht heißt, dass man das Geschäftsfeld völlig aufgibt. Man habe aber alle noch bestehenden Verträge mit externen Vermittlern gekündigt. Auch die Sondervereinbarungen mit Chefärzten für die Behandlung ausländischer Patienten sind Vergangenheit. Beratergeschäfte oder die Behandlung von Patienten im Ausland gibt es nicht mehr.

Damit geht ein Kapitel zu Ende, das vor einigen Jahren vielversprechend begonnen hatte. Die Auslandsabteilung, die das Geschäft insbesondere mit Patienten aus Ländern des Nahen Ostens wie Saudi-Arabien, Kuwait oder den Vereinigten Arabischen Emiraten besorgte, hatte einige Jahre gute Erfolge. Dass es dabei nicht immer so zuging wie sonst üblich im Klinikum, wurde erst durch die Probleme mit zwei Sonderprojekten deutlich. Bei der Behandlung libyscher Kriegsversehrter blieb man auf Forderungen von 9,4 Millionen Euro sitzen. Eine Vereinbarung mit Kuwait, nach der Ärzte und Pflegekräfte aus Stuttgart vor Ort beratend tätig waren, lief nicht besser.

Die ersten Jahre verdiente die IU viel Geld

Für 2017 rechnet das Klinikum nun mit gut 800 stationären und rund 3800 ambulanten Patienten aus dem Ausland. Mit dem erwarteten Umsatz von rund neun Millionen Euro würde man noch etwa die Hälfte der Summe des Jahres 2013 erreichen. Im Krisenjahr 2014 betrugen die Erlöse 34 Millionen Euro. Bei einem Jahresumsatz des Klinikums von rund 600 Millionen Euro sei dies ein „Nebengeschäft“, sagt Michael Föll. Er frage sich, wie man dafür derartige Risiken habe eingehen können.

Geschäftspraktiken von Anfang an fragwürdig

Nicht erst seit dem Spätsommer, nachdem Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ihn gebeten hatte, den Posten des Krankenhausbürgermeisters zu übernehmen, ist Michael Föll mit der Misere der International Unit befasst. Bei diesem Thema kann der sonst so nüchterne Finanzbürgermeister schon mal emotional werden. Es gebe nicht nur rechtliche Erwägungen, Geschäfte wie die der Auslandsabteilung nicht mehr zu machen, sagt Föll, sondern „auch ethische Gründe“. Die Umsätze der vorigen Jahre habe man doch nur durch die Zusammenarbeit mit externen Vermittlern erreicht. „Die Patientenvermittlung gegen Geld ist in Deutschland aber nicht zulässig“, sagt der Kämmerer. „Die einen nennen das Provisionszahlung, die anderen Bestechung“, wird Föll deutlich. „So ein Geschäftsgebaren geht gar nicht.“ In Zukunft werde man jedenfalls nur noch mit Botschaften kooperieren.

Nebengeschäft mit zu hohen Risiken

Was dem für die städtischen Tochterunternehmen zuständigen Finanzbürgermeister gegen den Strich geht, ist die Rolle, die der IU vom früheren Geschäftsführer zugedacht war. „Diese Eier legende Wollmilchsau sollte wirtschaftlichen Segen über das Klinikum bringen“, sagt Föll. „Das war der Irrtum von Beginn an. Man kann nicht das Hauptgeschäft über das Nebengeschäft sanieren.“ Statt die Kernaufgaben zu erledigen, habe man „das strukturelle Defizit kaschiert“, kritisiert der Kämmerer. Und dies organisatorisch so unzureichend, dass nicht einmal ein angemessenes Forderungsmanagement eingerichtet worden sei. Bis heute seien deshalb Altfälle im Umfang von 14 Millionen Euro nicht reguliert.

Auch mit dem Neustart ist dieses Thema nicht ausgestanden. Nicht nur, weil die Ermittlungen der Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft insbesondere wegen Umsatzsteuervergehen längst nicht abgeschlossen sind. Ende Januar soll der Abschlussbericht der Anwaltskanzlei BRP Renaud und Partner in der Sache vorliegen. Dann wird die Stadt entscheiden, ob sie Regressforderung stellt gegen den früheren Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz und gegen die ehemaligen ärztlichen Direktoren Jürgen Graf und Claude Krier.

Gutachten soll Lage des Klinikums darstellen

Bereits Mitte Januar soll das Gutachten der Beratungsgesellschaft Ernst und Young vorliegen, das sich mit der Lage des Klinikums insgesamt befasst. Im April nehmen die beiden neuen Geschäftsführer, die von der Berliner Charité kommen, die Arbeit auf. Michael Föll setzt auch auf einen Wandel der Unternehmens- und Führungskultur, die heute von Misstrauen und Abgrenzung geprägt sei. Auch darauf führt er die Misere der IU zurück, ebenso wie die Turbulenzen, in die das Klinikum alle paar Jahre gerate. Die grundsätzliche Richtung der Neuordnung aber sei richtig, die Mitarbeiter seien sehr motiviert, erklärt der Krankenhausbürgermeister mit Zuversicht. Fölls Eindruck ist: „Das Klinikum ist bisher unter seinen Möglichkeiten geblieben.“