Im Café bewirten junge Leute, die dabei die Sprache lernen. Foto: factum/Archiv

Ein Integrationsprojekt fordert einen Ort. Ein Gespräch mit dessen Leiterin über Bürokratie und Nudeln.

Korntal-Münchingen - Im Café Deutsch lernen, in der Nudelmanufaktur erfahren, wie die Arbeitswelt funktioniert, in einer WG leben: Ein Korntaler Verein will Flüchtlinge integrieren. Monika Klotz leitet das Projekt. Sie blickt selbstkritisch auf die Anfänge.

Frau Klotz, welche Nudelsorte verkauft sich derzeit besonders gut?

Wir haben eine Edition zum Stadtjubiläum von Korntal erstellt. Die Verpackung hat ein Sonderetikett, auf ihm werden Geschichten aus der Gründerzeit erzählt.

Ob Breite Nudeln, Bandnudeln, Spirelli, auch jede andere Form ist möglich. Machen Unternehmen vom Angebot Gebrauch und erwerben Nudeln in Form des Firmenlogos?

Ja, das klappt zunehmend. Wir haben auch mehr Übung, erzielen schneller Ergebnisse.

Flüchtlinge, die der Stadt vom Landkreis zugewiesen werden, arbeiten zwei Jahre unter Anleitung in der Nudelküche oder im Café. Müssen sie sich bewerben?

Ja, sie müssen einen Bewerbungsbogen ausfüllen, sie stellen sich vor, wir sprechen ausführlich mit ihnen über ihren Werdegang und das, was sie im Projekt erwartet. Dann fällt die Entscheidung im gegenseitigen Einvernehmen. Im Moment haben wir keine Warteliste, allerdings melden wir es dem Landkreis, wenn Plätze frei werden. Das war am Anfang nicht der Fall.

Sie möchten Flüchtlingen im Alter von 18 bis 24 helfen. Warum dieser Gruppe?

Diese Gruppe gilt noch als jugendlich, kommt aber nicht mehr in den Kinderheimen unter. Die jungen Geflüchteten sind alleine unterwegs, werden daher schnell stigmatisiert. Die Bevölkerung fühlt sich von ihnen bedroht und stuft sie als gefährlich ein, so ist unsere Erfahrung. Man will nicht mit ihnen ins Gespräch kommen. Daher konzentrieren wir uns auf sie.

Wohnen und Arbeit kombiniert, das war bundesweit neu für ein Integrationsprojekt. Ist die bürokratische Hürde noch so hoch?

Es ist inzwischen eine eingeschliffene Zusammenarbeit mit den Behörden auf Augenhöhe. Man begegnet uns wohlwollend.

Das klingt nach einem Aber.

Wir haben nach wie vor keinen Zugriff auf Finanzressourcen, die unsere Arbeit tragen. Wir sind mit verschiedenen Stellen im Gespräch, doch bisher ohne Ergebnis. Doch das würden wir uns wünschen, weil wir glauben, dass die Arbeit, die wir machen, eine Integrationsarbeit ist, die der Staat möchte. Vielleicht müssen wir sie auch noch besser vermitteln können.

Die Idee begeistert, aber das allein genügt nicht. Wie ist die Situation?

Wir arbeiten in beiden Bereichen – also Nudelmanufaktur und Café beziehungsweise Wohnbereich – nicht kostendeckend und sind nach wie vor auf Spenden angewiesen. Wir hatten 2018 eine Riesenflaute, das hat sich in diesem Jahr dergestalt gebessert, dass sich Unternehmen und Stiftungen mit einmalig größeren Beträgen engagieren.

Was würden Sie heute anders machen?

Wir waren am Anfang zu schüchtern. Wir hatten keinen Überblick, was sich entwickeln würde. Das schöne Ergebnis ist für uns selbst immer noch überraschend. Wir freuen uns natürlich riesig darüber, aber wir hätten vermutlich selbstbewusster bei den Behörden auftreten können.

Gibt es Nachahmer?

Eine evangelische Kirche aus dem Ausland hat sich das Konzept angeschaut und Teile davon übernommen. Auch gab es einige Kontakte in deutsche Städte, aber davon habe ich nichts mehr gehört.

Das nächste Projekt ist sicher geplant.

Wir haben das Wohnhaus renoviert und bezogen, das muss sich stabilisieren. Unser großes Anliegen ist, besser zu werden in der Betreuung von Traumatisierungen. Da kommen wir fachlich noch schnell an unsere Grenzen.

Wie äußert sich das?

Einer der Männer hat von der Überfahrt von Libyen nach Italien mit dem Schlauchboot erzählt, vier Tage und Nächte, um ihn herum sind die Menschen gestorben. Er sagt, er könne sich im Deutschunterricht nicht konzentrieren, sobald er nicht aktiv beteiligt ist. Dann komme die Erinnerung und blockiere ihn.