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Justizminister Ulrich Goll von der FDP will Integrationsverweigerer an die Kandare nehmen.

Stuttgart - Die Politik redet Integrationsmängel schön? Diesen Vorwurf von Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin will der Integrationsbeauftragte des Landes, Ulrich Goll, so nicht stehenlassen. Gleichwohl sieht er Nachholbedarf aufseiten des Staates wie aufseiten der Zuwanderer.

Zuwanderer bleiben auch in Baden-Württemberg noch weit hinter ihren Möglichkeiten bei der Bildung zurück, meint der Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Justizminister Ulrich Goll. Dem Schreckensbild jedoch, wie es jüngst Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin gemalt hat, widerspricht der FDP-Politiker entschieden.

"Das Buch enthält den einen oder anderen gefährlichen Irrtum", sagte Goll bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichts für die Jahre 2008 bis 2010. Dass viele Zuwanderer von Hartz IV lebten, habe man schon vor Sarrazins Veröffentlichungen gewusst. "Dafür muss ich aber keine fragwürdigen Thesen über vererbbare Intelligenz aufstellen", sagte Goll und nannte den früheren SPD-Politiker einen Rattenfänger.

Der Justizminister verwahrte sich vor allem gegen Sarrazins Unterstellungen, die Politik rede Integrationsprobleme schön. Dabei verwies er auf die Maßnahmen des Landes, die Deutschkenntnisse junger Zuwanderer zu verbessern, sowie auf die Bemühungen, deren Eltern stärker in den Bildungsprozess einzubeziehen.

Die Sprachstandsdiagnosen im vierten Lebensjahr zählt Goll ebenso dazu wie die Informationstage für Eltern sowie vielfältige Aktionen, bei denen Bildungspartner oder -lotsen die Zuwanderer direkt ansprechen. Zur Finanzierung des Netzwerks stünden mehr als zwei Millionen Euro im Haushalt 2010 und 2011.

Gleichwohl hält der Minister noch erhebliche Anstrengungen für nötig, damit "ein gemeinsames Wir-Gefühl" entsteht. Dabei müssten sich alle Beteiligten bewegen. Die Landesverwaltung will Goll sensibler für die Belange der Zuwanderer machen, indem er nicht nur die "interkulturelle Kompetenz" der Mitarbeiter schult, sondern auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund eine Einstellungschance bietet. Seine Stabsstelle erarbeite dazu gerade ein Konzept.

Kleinere Klassen für bessere Bildung

Das Hauptproblem sieht er jedoch in der mangelnden Chancengleichheit bei der Bildung. Goll: "Wir sehen, dass viele Kinder nicht so weit kommen, wie sie kommen könnten." Er schlägt deshalb ein Modellprojekt vor, bei dem Schulklassen mit einem hohen Anteil an Migrantenkindern zeitweise in deutlich kleinere Lerngruppen aufgeteilt und besser mit Lehrkräften ausgestattet werden. So lasse sich feststellen, ob sich ihr Schulerfolg verbessert.

Goll geht auch auf Distanz zur umstrittenen Grundschulempfehlung und rät, den Elternwillen stärker zu berücksichtigen. "Viel zu oft werden begabte Kinder mit Migrationshintergrund in die Hauptschule empfohlen, da sie aufgrund ihres Umfelds angeblich für die Realschule oder das Gymnasium keine ausreichende Unterstützung erfahren würden", heißt es in seinem Tätigkeitsbericht.

Er will aber auch die Zuwanderer selbst stärker in die Pflicht nehmen - vor allem jene, die sich einem Integrations- und Sprachkurs verweigern. Zwar nutze die Mehrzahl der Zuwanderer das Angebot, doch gebe es auch gegenteilige Beispiele. In diesen Fällen sei es notwendig, dass automatisch eine Sanktion per Gesetz greife - und zwar ohne dass dies in das Ermessen der Ausländerbehörden gestellt sei. Goll denkt dabei an finanzielle oder aufenthaltsrechtliche Konsequenzen. Bisher seien solche Sanktionen eher weich formuliert.

Goll: "Das Fordern darf in der Integrationsdebatte nicht zu kurz kommen." Härtere Bandagen allein, so seine Einschränkung, lösten das Problem der ungleichen Bildungschancen allerdings nicht. Die Reformen benötigten Zeit, um wirken zu können, Aktionismus sei kein guter Ratgeber.

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind die Mittel im Haushalt für Integrationskurse kontinuierlich erhöht worden: 2010 stehen für die Kurse, in denen die Zuwanderer lernen, sich sprachlich und gesellschaftlich zurechtzufinden, 233 Millionen Euro zur Verfügung - so viel wie nie zuvor.

Die Kommunen registrieren das mit Genugtuung: "Dadurch verbessern sich die Chancen für die gesellschaftliche Teilhabe und die berufliche Eingliederung", so der Sprecher des Städtetags Baden-Württemberg, Manfred Stehle. Der Verband appelliert deshalb an den Bund, die Mittel für die Kurse auf dem hohen Niveau zu belassen.