Der Himmel über Somalia ist verdunkelt von den Schwärmen der Wanderheuschrecken. Foto: imago/Nature Picture Library/imago stock&people

Riesige Insektenschwärme bedrohen die Ernten in Somalia. Die UN spricht von der schlimmsten Heuschreckenplage seit 25 Jahren. Woher kommen die Heuschrecken – und wie gehen die Menschen mit ihnen um?

Mogadischu - Somalia wird von einer fast biblischen Welle von Plagen heimgesucht. Erst litt der ostafrikanische Unruhestaat an einer jahrelangen Dürre. Seit wenigen Monaten wird das Land von heftigen Regenfällen überschwemmt. Und nun wird der Staat am Horn von Afrika von Heuschrecken verwüstet.

Riesige Schwärme der hungrigen Hüpfer seien bereits über mindestens 70 000 Hektar Farmland in zwei somalischen Provinzen hergefallen, teilte die Welternährungsorganisation FAO in Rom jetzt mit: Die schlimmste Heuschrecken-Invasion seit einem Vierteljahrhundert.

Noch sei die Plage auf den Nordosten des Landes begrenzt – ein Gebiet von der Größe Frankreichs –, so die FAO-Experten. Doch unter den derzeitigen, für die Fortpflanzung der Heuschrecken günstigen klimatischen Bedingungen sei von einer drastischen Vermehrung der Insekten auszugehen. Schon heute hätten die von der arabischen Halbinsel stammenden Hüpfer auch im Osten Äthiopiens Schaden angerichtet. In den kommenden Monaten sei mit ihrer Ausbreitung auch in Dschibuti, Kenia, Eritrea, dem Sudan und Südsudan zu rechnen. Am besten seien die Wüsten-Heuschrecken mit von Flugzeugen aus versprühten biologischen Insektenvernichtungsmitteln zu bekämpfen, heißt es in Rom. Doch die instabile Sicherheitslage im somalischen Bürgerkriegsland verbiete eine derartige Intervention.

Die Schwärme haben sich in der Nähe des Bürgerkriegslandes Yemen geformt

Ein Schwarm von Wüsten-Heuschrecken kann über 150 Millionen Insekten pro Quadratkilometer verfügen und sich über mehrere Quadratkilometer erstrecken. Die fliegenden Hüpfer legen bis zu 150 Kilometer am Tag zurück und pflegen Felder regelrecht kahl zu fressen. Ein durchschnittlicher Heuschreckenschwarm vernichtet Ernten, von denen sich 2500 Menschen ein Jahr lang ernähren könnten, teilt die Welternährungsorganisation mit: Eine Heuschreckenplage könne die Nahrungsmittelgrundlage von einer Million Menschen zerstören.

Die Schwärme formten sich Mitte dieses Jahres in der Nähe des Bürgerkriegslandes Jemen und wurden von den sich über dem Indischen Ozean bildenden Zyklonen in Richtung Afrika getragen. Die außergewöhnlich starken Regenfälle in der Region sind Experten zufolge einem ungewöhnlichen Temperaturgefälle des Indischen Ozeans zu verdanken, in dessen Westen das Wasser derzeit um mehrere Grade wärmer als im Osten ist. Deshalb erlebt Australien gegenwärtig eine außerordentliche Dürre, während der Osten Afrikas von starken Regenfällen überflutet wurde. Ob auch dieses Phänomen mit der Klimaerwärmung zusammenhängt, wissen Experten noch nicht: Der sogenannte Dipol des Indischen Ozeans wurde zum ersten Mal vor zwanzig Jahren bemerkt.

In der Stadt Adado beginnen Menschen die Heuschrecken zu essen

In den kommenden Monaten seien aufwendige und kostspielige Interventionen nötig, um die Heuschreckenplage am Horn von Afrika in den Griff zu bekommen, heißt es in Rom: Für Sofortmaßnahmen seien drei Millionen Dollar nötig. „Falls wir die Ausbreitung der Heuschrecken nicht stoppen können, wird das katastrophale Auswirkungen auf die Bevölkerung in der Region haben, die schon heute die Hälfte aller hungernden Menschen in Afrika beherbergt“, sagte der Ostafrika-Koordinator der FAO, David Phiri.

In der Stadt Adado haben Bewohner unterdessen bereits einen pragmatischen Ansatz gefunden – und verwandeln die Heuschreckenplage in kulinarischen Genuss: Menschen aus der Stadt haben Berichte in sozialen Medien bestätigt, wonach die Insekten nun als nahrhafte Delikatesse den Speiseplan vieler Haushalte bereichern sollen. Islamische Gelehrte hatten die Heuschrecken zuvor als Halal erklärt – also in Einklang mit den islamischen Ernährungsvorschriften.