Kompostieranlage der Jettinger Firma Smartcarbon. Hier werden Bioabfälle zu Kohleprodukten verwertet, um Energie zu erzeugen und Flüssigdünger. Foto: Smartcarbon

Junge Unternehmen mit ökologisch korrekten Produkten haben lange ein Schattendasein geführt. In Zeiten von Energiewende oder Ressourcenknappheit werden die raffinierten Ideen grüner Gründer immer wichtiger. Doch die kleinen Firmen aben es oft schwer, an Gelder zur Umsetzung der Technologien zu kommen.

Stuttgart - Rund um die Uhr arbeiten die Tausenden Würmer im sieben Quadratmeter großen Behälter. In der Halle in Stuttgart-Weilimdorf ist es trotz des Gewusels ruhig. Und es stinkt nicht, obwohl die Tierchen buchstäblich im Abfall wühlen. Ihre Mission lässt sich vereinfacht so erklären: Die Würmer machen Dünger aus Biomüll. Das tun sie für Nadine Antic (29), die Geschäftsführerin von Global Flow.

Die Firma berät seit 2011 Kunden, wie sie Müll vermeiden und wiederverwerten können. Während die Art der Düngerherstellung mit Würmern in den USA und in Indien üblich sei, „ist sie in Deutschland kaum bekannt“, sagt Antic. Künftig will Global Flow jedes Jahr 150 Tonnen Dünger produzieren. Doch dafür muss eine größere Anlage her – und 150 000 Euro.

Die Summe, die die vier Gründer des Karlsruher Unternehmens Ineratec für ihre Erfindung brauchen, hat eine andere Dimension: mehr als eine Million Euro. Dann können die Ingenieure ihren chemischenReaktor, der Gas in synthetische Kraftstoffe umwandelt und speichert, auf den Markt bringen. „Der gesamte chemische Prozess lässt sich in einen Container packen und dezentral bei bisher ungenutzten kleinen und mittleren Energiequellen wie Bio- oder Klärgas, aber auch kleinen Erdgasquellen aufstellen“, beschreibt Tim Böltken (29) eine Besonderheit der Anlage. Nun suchen die Unternehmer einen Investor und strategischen Partner, „der unsere Vision teilt, ein flächendeckendes Netz mit den Anlagen aufzubauen“, sagt Böltken.

Wegweisende Technologien

Gründer mit grünen Geschäftsideen, das heißt ökologisch korrekten Produkten,haben in Deutschland lange ein Schattendasein geführt. Das ändert sich allmählich. „Man hat erst vor einiger Zeit erkannt, welches Potenzial in grünen Gründungen steckt“, sagt Gründungsforscher Ralf Weiß vom Borderstep-Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Mit ein Grund seien der anhaltende Rummel um IT und der Fokus auf klassische Bereiche wie die Autobranche oder Maschinenbau. Die sogenannte Green Economy (grüne Wirtschaft), zu der grüne Gründer zählen, ist dagegen ein Querschnittsbereich, der fast alle Branchen betrifft. Die Abgrenzung ist schwierig.

Fakt ist: Die Green Economy ist ein wichtiges Wachstumsfeld. In Zeiten von Energiewende und knappen Ressourcen boomen Dienstleistungen und Produkte, die Umwelt und Rohstoffe schonen. „Der Bereich ist bedeutend für die Sicherung von Baden-Württemberg als Produktionsstandort“, sagt Hannes Spieth, Geschäftsführer der Umwelttechnik BW.

Die Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz entstand 2011 auch deshalb, weil die Unternehmensberatung McKinsey für das Land vier Zukunftsfelder mit hohem Wachstumspotenzial ermittelt hat, darunter Umwelttechnologien und Ressourceneffizienz. In der Studie heißt es: „Wenn die Weichen im Land richtig gestellt werden, könnte in Baden-Württemberg damit bis 2020 ein Zuwachs der jährlichen Wertschöpfung in Höhe von 30 bis 45 Milliarden Euro erreicht werden.“ Das Land finanziert die Agentur jährlich mit einem Grundbudget von rund 1,1 Millionen Euro.

Gründer haben zu wenig Geld

Grüne Gründer spielen für die Green Economy eine wesentliche Rolle, weil sie zunehmend wegweisende Technologien entwickeln. Die Ideen zu marktfähigen Produkten zu machen ist aber alles andere als leicht. Die Gründer haben zu wenig Geld und Kontakte zu Kapitalgebern. Anders als bei mobilen Anwendungen (Apps) für Smartphones etwa stecken hinter grünen Ideen oft teure, komplexe Technologien, deren Umsetzung Jahre braucht. Es dauert auch lange, bis sich die Produkte später rechnen.

Die Gründer können Investoren ihr Kapital erst nach Jahren zurückzahlen. Investoren gehen damit ein hohes Risiko ein. „Man muss erst beweisen, dass die Technologie funktioniert“, sagt Böltken von Ineratec. Dazu ist zumindest ein serienreifer Prototyp nötig. „Am liebsten ist es Investoren, wenn man eine Technologie schon verkauft hat oder sie sie wenigstens sehen und anfassen können“, sagt Günter Schneider. Er ist Geschäftsführer der 2013 gegründeten Firma Storasol für Wärmespeicher in Bietigheim-Bissingen. Ein ebenso langwieriger Prozess sei es, an öffentliche Gelder zu kommen. Entweder werde das Geld so spät bewilligt, dass man es für den eigentlichen Zweck nicht mehr brauche – oder die Fördersumme sei zu gering.

Ein gutes Netzwerk hilft

Um grünen Gründern den Weg zu erleichtern, haben die Umwelttechnik BW und die Firma bwcon, die Gründer unterstützt, in diesem Jahr das „Green Innovation and Investment Forum“ ins Leben gerufen. Jedes Jahr sollen in Stuttgart Gründer etablierte Firmen und mögliche Geldgeber treffen. „Wir müssen Start-ups schon in der frühen Phase der Gründung helfen“, sagt Spieth. Entscheidend sei die Vernetzung, um Gründern den Marktzugang zu erleichtern. Das Forum stieß auf große Resonanz: Auch Bosch, EnBW und Mahle waren vor Ort.

Von den Gründern hielt etwa Bosch ein Drittel für relevant. Für den Konzern sind grüne Technologien in den Bereichen Vernetzung, Elektrifizierung, Energieeffizienz und Automatisierung „von zentraler Bedeutung“, sagt Claus Schmidt, Geschäftsführer der Robert Bosch Venture Capital GmbH. Sie beteiligt sich finanziell an Start-ups und vermittelt Kontakte zu Bosch-Tochterfirmen. „Wir wollen den Entwicklungsprozess aktiv gestalten und treten in sehr frühen Phasen mit den Start-ups in Verbindung“, sagt Schmidt. Das Investitionsvolumen betrage insgesamt 270 Millionen Euro.

Deutsche scheuen das Risiko

Risikokapital ist aus Sicht von Experten und Gründern ein seltenes Gut in Deutschland. „Im internationalen Vergleich sind wir schwach aufgestellt“, sagt Philipp Engelkamp (24) von Ineratec. bwcon-Geschäftsführer Jürgen Jähnert stimmt dem zu: „Wir leiden etwas unter unserer Mentalität, zu wenig Risiko einzugehen.“

Der Leiter des Referats Existenzgründung im Wirtschaftsministerium, Peter Schäfer, widerspricht. „In den USA ist der Einsatz zwar stärker verbreitet, aber es ist nicht leichter, an Wagniskapital zu gelangen.“ Das Land habe den Nachholbedarf bei der Gründungsfinanzierung behoben, betont Schäfer. So verbesserte man die Bedingungen für Risikokapital. Ein entsprechender Wagniskapitalfonds startete mit einem Volumen von acht Millionen Euro und kann auf 20 Millionen Euro ausgeweitet werden.

Neben dem Ministerium sind die Lebensversicherung AG der Sparkassenversicherung, die Württembergische Versicherungs-AG und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg Geldgeber. Zudem fördert das Land Gründer mit Innovationsgutscheinen in Höhe von maximal 25 000 Euro. Sie seien sogar Vorbild für Länder wie Australien. Schäfer: „Eine gute Idee kriegt eine Finanzierung.“