Geschafft: Die Tandem-Tour erfordert gegenseitiges Vertrauen. Foto: Moritz Osswald

Sie sind ein Team auf ihrem Tandem: Der Radler vorne hat das Kommando, der Mensch mit Sehschwäche hinter ihm hilft beim Strampeln. Gegenseitiges Vertrauen verschafft Freiheit, Lebensqualität, neue Erfahrungen. Die Euro-Tandem-Tour 2020 – das sind 800 Kilometer geradelte Inklusion.

Esslingen - Der gelbe Tross braust zielstrebig um die Ecke. Geschafft und glücklich kommen die 13 Tandem-Räder mit dem restlichen Team am Alten Rathaus in Esslingen an. Die Sportlerinnen und Sportler liegen sich in den Armen, Fotos werden geknipst, der Sekt geöffnet. 800 Kilometer Strecke liegen hinter ihnen. Sie sind dabei nicht nur von sportlichem Ehrgeiz gepackt: Die „Euro Tandem Tour“ will ein Bewusstsein für Netzhaut-Erkrankungen in der Gesellschaft schaffen. Eine sehbehinderte Person auf dem Rücksitz fährt dabei mit einem Piloten auf einem Tandem-Fahrrad. Das Fehlen des Visuellen stört dabei niemanden. Maren Schwerger erklärt: „Man kann so viel über Gerüche wahrnehmen.“ Sie ist die Tochter von Horst Schwerger, Gründer der HEM-Schwerger-Stiftung in Neuhausen. Er organisiert die Touren seit über 20 Jahren. Tochter Maren leidet an Retinitis pigmentosa, einer genetisch bedingten Netzhaut-Erkrankung. „Aber das Gehirn erzeugt Bilder“, sagt Schwerger. Muhende Kühe, wiehernde Pferde, der duftende Dill am Wegesrand – all das nimmt sie wahr.