Auch die Planungen im Zuge der Gartenschau, eine Toilette „für alle“ einzurichten, wird von Behindertenverbänden kritisch gesehen. Foto: Gottfried Stoppel/Gottfried Stoppel

Vertreter des Landesverbandes Körper- und Mehrfachbehinderte rechnen mit den Organisatoren der interkommunalen Veranstaltung ab. Behinderte Menschen seien bei den Planungen nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Schorndorf - Groß ist die Remstal-Gartenschau zu ihrem Abschluss gefeiert worden. Doch für Menschen mit Behinderung bleibt ein schaler Beigeschmack. Denn die interkommunale Veranstaltung hatte auch ihre Schattenseiten, wie Vertreter des Landesverbandes Körper- und Mehrfachbehinderte (LVKM) und der LAG Selbsthilfe Baden-Württemberg dieser Zeitung berichten. Ihr Hauptkritikpunkt: Im Vorfeld hätten die Gartenschau-Gesellschaft, aber auch einzelne Kommunen, auf die man zugegangen sei, kein wirkliches Interesse an ihrem Angebot gezeigt, sie bei der Planung von Barrierefreiheit zu unterstützen.

Lange keine Reaktion

„Wir haben mit der Gartenschau GmbH Kontakt aufgenommen. Aber man war nicht bereit, mit uns zusammenzuarbeiten“, sagt Ines Vorberg. Sie sitzt im Vorstand der LAG, kennt – selbst auf einen Elektrorollstuhl angewiesen – die Probleme von Gehbehinderten aus eigener Erfahrung und hätte als Initiatorin des Projekts „Inklusive Wanderbotschafter im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald“ des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) jede Menge Erfahrungen für die Ausweisung barrierefreier Wanderwege einbringen können. Doch auf ihr frühzeitiges Beratungsangebot habe man lange nicht reagiert und sie erst zu einem Treffen mit den beteiligten Kommunen eingeladen, als vieles schon geplant gewesen sei. „Dementsprechend sah es später dann aus“, meint Vorberg. So habe etwa die Hauptbroschüre der Gartenschau keine Hinweise zu Barrierefreiheit enthalten. Zudem sei die Beschilderung schlecht lesbar gewesen. „Die farblichen Komponenten, weiße Schrift auf grünem Grund, waren sehr ungünstig.“

Die Kommunen haben geplant

Auf der Gartenschau-Homepage und in den Auftritten in sozialen Medien habe es sehr wohl Hinweise zu Barrierefreiheit gegeben, hält hingegen der Schorndorfer Bürgermeister Thorsten Englert entgegen, der die Geschäftsführung der Gartenschau-Gesellschaft innehatte. Im Falle der Broschüre indes habe man es tatsächlich nicht geschafft, Informationen dazu aufzunehmen. „Die Gartenschau war ein Mammutprojekt und alle Beteiligten mitzunehmen nicht ganz einfach.“ So sei es Kapazitätsgründen und personellen Ressourcen geschuldet, dass nicht alles möglich gewesen sei.

Doch gebe es auch noch ein Leben nach der Gartenschau, in dem man mit dem Tourismusverein Remstal-Route und beim Deutschen Wandertag 2022 im Remstal viele Dinge noch aufgreifen könne, sagt Englert. Abgesehen davon habe man in mehreren Gesprächen mit der LAG darauf hingewiesen, dass nicht die Gartenschau-Gesellschaft plane und baue, sondern die 16 Mitgliedskommunen, und der Verband auf diese zugehen müsse.

Streit um Toilette für alle

Das habe man getan, berichtet die LVKM-Geschäftsführerin Jutta Pagel-Steidl. „Aber sämtliche Gesprächsangebote wurden schlicht ignoriert“, sagt sie über die Erfahrungen, die sie in Schorndorf und Plüderhausen gemacht hat. So seien etwa in Schorndorf bei der Planung einer „Toilette für alle“ am Karlsplatz fälschlicherweise zu hohe Kosten in der Gemeinderatsdiskussion kursiert, weswegen der Bau abgelehnt wurde. In Plüderhausen wiederum habe man mit einem schwimmenden Holzsteg am Badesee Barrierefreiheit herstellen wollen – doch der sei ohne Handlauf und aufgrund seiner wackeligen Bauweise für Menschen mit Gehbehinderungen nicht nutzbar gewesen. In beiden Fällen habe sie versucht, ihr Fachwissen einzubringen, doch habe man sie auflaufen lassen, so Pagel-Steidl.

Etwas reumütig zeigt man sich inzwischen in Plüderhausen. Von dem Steg habe man sich mehr versprochen, räumt der Bauamtsleiter Ludwig Kern ein. Es gebe aber mit der Treppe am DLRG-Gebäude sehr wohl einen Zugang mit Geländer und in der nächsten Saison könne man einen Wasserrollstuhl anbieten. Für diesen Sommer sei er nicht rechtzeitig fertig geworden. In Schorndorf weist man den Vorwurf falscher Kostenangaben von sich. In der Summe für die „große Lösung“ einer Behindertentoilette mit diversen Extras sei nicht nur die Ausstattung enthalten gewesen. Auch andere Punkte hätten reingespielt, wie etwa höhere Kosten für den Bau eines entsprechend größeren Gebäudes als bei der nun gebauten, herkömmlichen Behindertentoilette.

Schwierigkeiten im Schlosskeller

Doch es gibt noch weitere Kritik an der Schorndorfer Planung: in Bezug auf die Blumenschau im Schlosskeller. Gerne hätte sie diese mit den Mitgliedern ihrer BSK-Selbsthilfegruppe aus Althütte besichtigt, sagt Vorberg. Doch die Idee, die Schau für Gehbehinderte mit einem Treppenlift und einem Leihrollstuhl im Keller zugänglich zu machen, sei nicht praktikabel gewesen. So hätte sie sich als Kleinwüchsige etwa auf dem Lift gar nicht halten und sich mit dem normalen Rollstuhl nicht fortbewegen können. Dass der Keller als Veranstaltungsort die Teilhabe für Behinderte erschwert, beziehungsweise unmöglich macht, war den Organisatoren offenbar bewusst. „Aber wir wollten die Chance nutzen, den für Bürger Jahrhunderte lang verschlossenen Keller zu öffnen und ihn als mystischen Raum in Szene zu setzen“, erklärt Englert.