Frauen in Führungspositionen sind noch rar: Janina Kugel ist seit Februar 2015 im Siemens-Vorstand und zuständig für weltweit rund 348 000 Mitarbeiter Foto: Siemens AG

Gleichberechtigung im Job scheitert oft an stereotypem Denken. Das führt dazu, dass Menschen nicht nach ihren Fähigkeiten beurteilt und so wertvolle Potenziale übersehen werden.

Berlin/Stuttgart - Etwa 70 Prozent der Menschen assoziieren Männer mit Karriere und Frauen mit Kindern. Männer, die in Elternzeit gehen, werden häufig kritisch bewertet. Frauen, die sich durchsetzen, gelten eher als unsympathisch. Warum das so ist? Weil Menschen von unbewussten Denkmustern beeinflusst sind. Die Initiative Chefsache, ein Bündnis aus Unternehmen und Institutionen, will mit solchen Rollenklischees aufräumen und für mehr Chancengleichheit sorgen, so dass auch mehr Frauen in führende Positionen kommen.

„Unbewusste Denkmuster führen häufig zu Fehlentscheidungen“, sagt Bosch-Arbeitsdirektor Christoph Kübel. Bosch gehört der Initiative seit ihrer Gründung vor knapp einem Jahr an. Insgesamt sind es 14 Mitglieder – darunter beispielsweise auch Bayer, die Allianz, Siemens, Lufthansa und EnBW aber auch McKinsey und das Verteidigungsministerium. Allesamt erreichen zusammen rund 660 000 Mitarbeiter und rund 99 000 Entscheider mit Führungsverantwortung. Das sind etwa 1,5 Prozent aller deutschen Erwerbstätigen. Das Bündnis hat das Thema Chancengleichheit von Männern und Frauen zur Chefsache gemacht und will mit gutem Beispiel vorangehen – einem Wandel, der von den Führungsebenen aus in die Unternehmen getragen wird.

Frauen wollen führen – aber anders

In den Unternehmen sind Frauen in führenden Positionen in der Unterzahl. Entgegen manchem Vorurteil wollen Frauen führen – aber anders. Vor allem bräuchten sie Modelle, die es ihnen erlauben, auch zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt im Leben noch Karriere zu machen. „Nachhaltiges Umdenken im Kopf lässt sich nicht durch Appelle erzielen“, sagt Bosch-Manager Kübel. „Wir wollen sensibilisieren, wie man sich von unbewussten Denkmustern leiten lässt.“ Man wolle vor allem in den Führungsebenen das Bewusstsein dafür schärfen, wie sehr tief verankerte Stereotypen Kommunikation und Verhalten beeinflussten, sagt Janina Kugel, Personalvorstand der Siemens AG. Neben dem Chefsache-Test zur Aufdeckung von Stereotypen und unbewussten Denkmustern soll das Online-Training „Fair entscheiden“ Techniken an die Hand geben, um diesem Einfluss gegenzusteuern. Dabei geht es beispielsweise darum, wie stark die Begriffe „Karriere“ und „Familie“ unbewusst mit Frauen oder Männern verbunden werden.

Chefsache Award – ausgezeichnete Chancengleichheit

Das sind nur einige Bausteine. Mit Mentoringprogrammen, Veranstaltungen und etlichen Projekten will das Bündnis das Bewusstsein schärfen und helfen, veraltete Rollenmuster zu überwinden. Man setzt auf Beispiele in der Praxis und hofft auf einen „Aha“-Effekt. Zudem will man in diesem Jahr mit dem Chefsache Award ausgezeichnete Chancengleichzeit Erfolgsbeispiele aus der Praxis feiern und zur Nachahmung anregen. Der Preis wird im November in Hamburg verliehen. Bewerbungen sind noch bis 15. September möglich unter award@initiative-chefsache.de. Im vergangenen Jahr engagierte sich Chefsache auf insgesamt 50 Veranstaltungen mit über 15 000 Teilnehmern, um die öffentliche Debatte zur Chancengleichheit mitzugestalten.

Eine von zwei Frauen im Siemens-Vorstand

Im Jahr 2015 lag der Anteil weiblicher Führungskräfte in den deutschen Top-200-Unternehmen bei 19,7 Prozent in Aufsichtsräten und 6,3 Prozent in Vorständen und im Topmanagement. Im Vergleich zu den Vorjahren zeichnet sich ein kontinuierliches, aber langsames Wachstum ab. In anderen Bereichen, wie etwa der Wissenschaft, zeigen sich ähnliche Zahlen und Entwicklungen.

Siemens-Managerin Kugel ist eine von zwei Frauen im siebenköpfigen Vorstand – eine vergleichsweise hohe Quote. Auf der ersten und zweiten Führungsebene sei das Ziel, bis Mai 2017 eine Frauenquote von zehn Prozent zu erreichen, sagt die gebürtige Stuttgarterin. Bosch hat das Ziel, dass bis 2020 weltweit 20 Prozent aller Führungsposition mit Frauen besetzt sein sollen.