Die Stadt will die Infrastruktur für Elektromobile ausbauen – doch das birgt viele Probleme in sich. Foto: Christoph Kutzer

Die Stadt Stuttgart stellt bald viele neue Ladestationen für Elektrofahrzeuge auf. In den Bezirken wurden nun die Vor- und Nachteile einzelner Standorte erörtert.

S-Süd/Mitte/West - Eine Dame schiebt ihren Kinderwagen die Rückertstraße entlang. Ein Pulk Jugendlicher kommt ihr entgegen. Ein Baugerüst verengt den Raum für Fußgänger zusätzlich. Es wird wieder verschwinden. Anders als die Elektroladesäule direkt davor. Die Frage, warum die Stromtankstelle auf dem Trottoir steht und nicht im Parkraum positioniert werden kann, drängt sich auf. Sie beschäftigt am Dienstag auch den Bezirksbeirat West.

Für und wider E-Mobilität

Michael Hagel von der Abteilung Mobilität der Stadt Stuttgart wollte dem Gremium nur die Pläne für den Ausbau des Ladestationen-Netzes vorstellen. Die Diskussion kreist aber schnell um Grundsätzliches. Am weitesten geht Paul Russmann (SÖS/Linke-plus). Er lehnt die Forcierung der Elektromobilität grundsätzlich ab. Sie sei keine Alternative zum Verbrennungsmotor, E-Autos wegen zu geringer Reichweiten oft nur Zweitwagen. Das Ziel, den Automobilverkehr in Stuttgart um 20 Prozent zu verringern, werde man mit stromgetriebenen Pkw nicht schaffen. Auch würden „Bürgersteige für Ladestationen geopfert“, was ihn stört. Darin findet er die Zustimmung von Heiner Scholz (SPD), der aber keinen Zweifel hegt an der Notwendigkeit, weitere Lademöglichkeiten zu schaffen, aber: „nicht auf dem Gehweg, sondern auf der Straße“. Die Standorte für die vier nächsten Ladestationen an der Lerchenstraße, der Schwab-, Seifert- und Silberburgstraße werden noch auf dem Gehsteig liegen. Zu ändern ist daran laut Hagel nichts mehr. Die Planung geht auf das inzwischen abgeschlossene Modellprojekt mit der EnBW zurück, die rund 200 Säulen in Stuttgart aufgestellt hat. Künftig wird die Stadt mit verschiedenen Betreibern zusammenarbeiten.

Über eine Ausschreibung sollen 365 neue Standorte für die blauen Normalladestationen vergeben werden. Hinzu kommen zunächst 20, später 30 Schnellladestationen. „Das ist zu wenig“, stellt Andreas Huber (FDP) fest. Basierend auf Zahlen des Instituts Laden2020 rechnet er vor, Stuttgart benötige bereits bei einem Anteil von zehn Prozent E-Autos 1200 Normal- und 120 Schnellladestationen. „Wenn wir wollen, dass die Menschen auf Elektro umsteigen, müssen wir nicht nur A, sondern auch B sagen.“

Schnelle Lader am Start

Hagel betont, er stelle an diesem Abend nur einen Baustein des wesentlich größeren Aktionsplans „Nachhaltig Mobil“ vor. Die kleineren Schritte, insbesondere bei den Schnellladestationen erklärt er mit dem Ausschreibungsverfahren der Standortvergabe. „Würden wir gleich mit 60 Stationen anfangen statt mit 20, würde es wegen dieses Prozesses wesentlich länger dauern, bis die erste von ihnen in Betrieb gehen könnte.“ Der Bezirksbeirat, der bereits 2017 beschlossen hatte, mehr kostengünstige Lade- und Schnelllademöglichkeiten zu schaffen, stimmte der von Hagel vorgestellten Beratungsvorlage mehrheitlich zu: unter dem Vorbehalt keine weiteren Bürgersteige als Standort zu nutzen.

Der Bezirksbeirat Mitte nahm die Pläne der Verwaltung wohlwollend zur Kenntnis. Die Bezirksbeiräte formulierten aber die Sorge, dass neue Säulen den Raum für Fußgänger begrenzen könnten. „Wir wünschen uns ausgesprochen, dass die Stationen in einer Linie mit vorhanden Bäumen auf den Gehwegen installiert werden“, meint der Grünen-Rat Wolfgang Kaemmer. Ansonsten sei es zu keiner großen Debatte in dem Gremium gekommen, erklärt der Grünen-Politiker. Die Verwaltung plant Ladestationen an der Theodor-Heuss-Straße 20, der Lautenschlagerstraße 3/Kronenstraße 4 und der Hauptstätter Straße 53. An der Heusteigstraße 47 bis 49 soll die neue Ladesäule auf der gegenüberliegenden Straßenseite installiert werden, um den Blick auf historische Gebäude nicht zu beeinträchtigen.

Fahrer werden angelockt

In Süd hat der Bezirksbeirat insbesondere zwei Standorte kritisch diskutiert. So schlägt die Verwaltung einen Normallader am oberen Ende der Etzelstraße vor. Dort bemühe man sich seit Jahren, den Verkehr zu dezimieren „und jetzt sollen wir ihn mit dieser Ladestation hineinleiten?“, fragte etwa SPD-Rätin Ulrike Holch. Auch der Schnelllader am Park & Ride Parkplatz an der Jahnstraße stieß auf Skepsis. Einige meinten der Platz sei sinnvoll, weil er funktioniere wie eine normale Tankstelle: Man fährt rasch hin, tankt, fährt wieder weg. Andere hingegen argumentierten, dass ein Schnelllader fernab der Stadt keinen Sinn mache, weil die Kunden die Ladezeit nicht mit Besorgungen überbrücken könnten, da dort nur Wald ist. Für relativ unproblematisch wurde der Standort für einen Normallader an der Alexanderstraße 129 erachtet – vorausgesetzt er behindert keine Fußgänger.