Jazz, Soul und Rock’n Roll gab es in Beilstein zu hören. Foto: avanti

Passanten konnten am vergangenen Wochenende im Vorbeigehen bei künstlerischen Musikproben kurz innehalten und Kraft für den Alltag tanken.

Beilstein/Erdmannhausen - Am vergangenen Sonntag gab es gleich zwei musikalische Darbietungen in Beilstein und Erdmannhausen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Doch so sehr sich die Ansätze auch voneinander unterschieden, so hatten sie doch eines gemeinsam: Musik verband Menschen über Zäune, Dächer und Grenzen hinweg und gab den Menschen Kraft und Hoffnung für ihren momentan oft tristen Lebensalltag.

In Erdmannhausen musizierten die vier Geschwister Hanna, Marie, Fynn und Nick Lörcher wie jeden Abend auf dem elterlichen Garagendach. „Die Nachbarn machen dann die Fenster weit auf und hören zu“, erzählt Hanna. „Manchmal halten Passanten inne, hören uns kurz zu und gehen dann weiter“, ergänzt Fynn. Die Vier spielen bekannte Musicalmelodien, Film- oder Popmusik, die jeder kennt. „Normalerweise würden wir jetzt mit unserer Band ‚Apolinos’ bei privaten Feiern oder Geburtstagen auftreten“, sagt Fynn. Doch was sei derzeit schon normal.

Wer wie Andi Delzemich aus Beilstein professionell von seinen musikalischen Auftritten lebt, dem fehlt in diesen Tagen nicht nur das Einkommen, sondern die Anspannung und Konzentration vor dem Konzert, vor allem aber der für Künstler so wichtige Applaus. Doch statt Trübsal zu blasen, sprüht Delzemich förmlich vor Energie. Mit seinen Freunden hat er aus der Not eine Tugend gemacht.

Wie jeden Abend um fünf Uhr probten sie auch am vergangenen Sonntag auf seinem Grundstück in Beilstein. Und so kam einiges zusammen: Gitarre, Klarinette, Saxofon und Kontrabass. Immer nur zu zweit – und immer mit dem gebührenden Abstand – gab es Jazz, Soul und Rock’n Roll. Fast als Glücksfall liegt das Haus von Delzemich am Beginn beliebter Spazier- und Wanderwege. Brigitte Rolland und ihr Ehemann Heinz, die so in den Genuss von Musik kamen, fanden diese Idee wunderbar. „Heute kamen wir zufällig zur richtigen Zeit auf unserem Spazierweg hier vorbei.“ Sie hörten kurz zu und gingen mit einem Lächeln im Gesicht weiter.

Der musikalische Höhepunkt folgte kurze Zeit später mit dem „Corona Blues“, erst in englischer Sprache, dann auf Schwäbisch. „Sag amol, des isch doch ned normal, was do älles bassiert“, sang Gudrun Egle im Refrain über das aktuelle Geschehen treffend.

Und manche Dinge entwickelten sich ganz spontan. Die Begleiterin eines 86-jährigen Beilsteiners wünschte sich ohne sein Wissen ein Geburtstagsständchen für ihn. Sichtlich gerührt saß er im Rollstuhl und freute sich über das unverhoffte musikalische Präsent.

Mit „What A Wonderful World” gab Joachim Kunz schließlich den Passanten eine nicht nur in diesen Tagen wichtige Botschaft mit auf den Heimweg. Der79-jährige Musiker überzeugte stimmlich genauso wie am Saxofon oder als Klarinettist. Er schien der lebende Beweis von Musik als Lebenselixier zu sein.