Die Schule beginnt bald, doch es sind nicht alle Lehrerstellen besetzt. Foto: dpa

Die Bildungsgewerkschaft GEW geht hart mit Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) ins Gericht. Die Ministerin erwecke den Eindruck, sie packe die Probleme an, aber sie löse sie nicht. Zum Beispiel den Lehrermangel.

Stuttgart - Lehrer werden „ausgepresst wie die Zitronen“, Reformen lassen auf sich warten, und ein schlüssiges Konzept gegen die lückenhafte Unterrichtsversorgung gibt es auch nicht. Das sind die Hauptvorwürfe, die Doro Moritz, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW) zum Schuljahresbeginn am Montag gegen die Bildungspolitik der grün-schwarzen Landesregierung erhebt.

GEW findet Probleme nicht gelöst

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erwecke zwar den Eindruck, sie packe die Probleme im Schulbereich an, tatsächlich gelöst würden diese aber nicht, kritisiert Moritz und nennt ein Dutzend Beispiele, vom Ausbau der Ganztagsschulen bis zur Sprachförderung und einem Konzept zur Stärkung von Schulleitungen. Sie führt auch den Rechtschreibrahmen an, den das Kultusministerium für die Klassen eins bis zehn erstellen ließ, um die Rechtschreibung zu verbessern. „Handreichungen für Lehrer führen nicht zu besseren Schülerleistungen“, wendet Moritz ein. Die Schüler bräuchten vielmehr im Unterricht mehr Zeit zum Üben.

Das Hauptproblem des Schuljahrs wird erneut der Lehrermangel werden. An Grundschulen blieben laut GEW erneut 500 Stellen unbesetzt, an den Berufsschulen 350. Moritz befürchtet, dass an Grundschulen vermehrt Klassen mit mehr als 28 Schülern gebildet werden. Es sei damit zu rechnen, dass zusätzliche Sprachförderangebote weiter eingeschränkt würden.

Erhebungen ohne Effekt

Kultusministerin Eisenmann hat im Juni zum ersten Mal alle Unterrichtsausfälle erheben lassen. Doro Moritz zweifelt am Sinn der Übung, die künftig regelmäßig wiederholt werden soll. Eine Vollerhebung mache den Schulleitungen eine Menge Arbeit. „Sie gehört zu den Schaufensteraktionen, die gar nichts besser machen“, kritisiert Moritz. Eine solche Erhebung lasse unberücksichtigt, ob der Pflichtunterricht gleich zu Beginn des Schuljahrs gekürzt worden sei oder ob Arbeitsgemeinschaften gestrichen wurden. Grundschulen schneiden in der Erhebung gut ab. Das liege schlicht daran, dass Grundschulen ihre Schüler nicht nach Hause schicken dürften, erklärt Moritz.

Zweifel am Qualitätskonzept des Landes

Die GEW will für die Schüler und Lehrer vor allem eins: „mehr Zeit“. Das Kultusministerium gebe den Lehrern weitere Aufgaben, verweigere die Unterstützung und verschlechtere die Rahmenbedingungen. Die GEW schlägt vor, an den Schulen einen Innovationspool für Qualitätsentwicklung einzurichten und dafür pro Lehrerdeputat eine Wochenstunde einzusetzen. Das Qualitätskonzept des Kultusministeriums sieht die Gewerkschaft skeptisch. Vorgesehen ist, das bestehende Landesinstitut für Schulentwicklung aufzulösen, die Verwaltung umzustrukturieren und zwei neue Institute einzurichten, das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung und das Institut für Bildungsanalysen.

Von der Umstrukturierung seien, so Moritz, 2000 Beschäftigte in den Schulverwaltungen und den bisherigen Instituten betroffen. Es sei nicht klar, wer künftig die Bildungspolitik steuere, die Ziele würden nicht kommuniziert, beklagt Moritz. „Die Unsicherheit ist riesig. Die Schulen brauchen aber Unterstützung, keine neuen Institute.“

Zusätzliche Studienplätze und mehr Altersermäßigung

Als Maßnahmen gegen den Lehrermangel verlangt die GEW zusätzliche Studienplätze für Sonderpädagogen und für das Grundschullehramt. Das Kultusministerium sollte die Weiterqualifizierung von Hauptschullehrern zu Sonderpädagogen attraktiver machen, etwa indem die Unterrichtsverpflichtung während des berufsbegleitenden Studiums weiter reduziert wird. Ältere Lehrer sollten eine höhere Altersermäßigung bekommen, damit sie länger im Beruf blieben. Um das Grundschullehramt attraktiver zu machen, sollte das Gehalt auf die Stufe der anderen Lehrämter (A 13) angehoben werden, das Studium sollte von acht auf zehn Semester verlängert werden. Um neue Lehrer zu gewinnen, regt die GEW an, im Referendariat die Besoldung zu erhöhen. Ob Zuschläge wirkungsvoll wären, um junge Lehrer aufs Land zu locken, ließ Moritz offen, einen Versuch wäre es aber wert, meint die GEW-Chefin. Sie erwartet auch, dass Vertretungslehrer in den nächsten Sommerferien nicht wieder entlassen, sondern weiterbezahlt werden.

SPD teilt die Kritik

Die SPD schließt sich der Kritik der GEW an. Mit Blick auf die Unterrichtsversorgung fordert ihr bildungspolitischer Sprecher, Stefan Fulst-Blei, von Kultusministerin Eisenmann ein radikales Umdenken. „Nur wenn das Land mit klaren Zielgrößen arbeitet und die Ressourcenplanung an diesen ausrichtet, können wir Lehrermangel zukünftig vermeiden“, sagt er und fordert wie die GEW mehr Pädagogische Assistenten, die Grundschullehrer entlasten könnten. Die Vertretungsreserve müsse um mindestens 20 Prozent auf über 2000 Lehrkräfte aufgestockt werden

Stellen und Bewerber

An Grundschulen im Land sind der GEW zufolge für dieses Schuljahr 1571 Stellen zu besetzen, eingestellt wurden nach Gewerkschaftsangaben bisher 1052 Personen. An Haupt-/Werkrealschulen fanden sich 275 Lehrer für 406 offene Stellen. An Realschulen stehen 1270 Stellen 995 Einstellungen gegenüber. Sonderpädagogen wurden 344 gesucht, 237 Lehrer wurden eingestellt. An beruflichen Schulen wurden 570 Stellen besetzt, frei waren 1046. An Gymnasien wurden alle 859 freien Stellen besetzt.

Von diesem Schuljahr an gibt es keinen Fremdsprachenunterricht mehr für Erstklässler. Englisch oder Französisch beginnt im Südwesten künftig erst in der dritten Grundschulklasse. Die gewonnenen Stunden werden für die Förderung genutzt.