Wie genau ist das Ergebnis des Zensus? Foto: dpa

Wie genau ist das Ergebnis des Zensus? 37 Kommunen im Südwesten halten die Zahlen für falsch und klagen nun. Die Gemeinden meinen, ihre Einwohnerzahl falle viel geringer aus, als beim Zensus ermittelt.

Wie genau ist das Ergebnis des Zensus? 37 Kommunen im Südwesten halten die Zahlen für falsch und klagen nun. Die Gemeinden meinen, ihre Einwohnerzahl falle viel geringer aus, als beim Zensus ermittelt.

Stuttgart - Im Südwesten formiert sich Widerstand gegen den Zensus: Bislang haben bereits 37 Kommunen erklärt, wegen ihres Zensusergebnisses vor den Kadi ziehen zu wollen. Die Klage richtet sich gegen die bei der Bevölkerungszählung festgestellte Einwohnerzahl. Die Gemeinderäte hatten der Klage bereits im Vorgriff zugestimmt. „Die klagenden Kommunen sehen den Zensus als ungerecht an und monieren die mangelnde Transparenz des Verfahrens“, sagte Städtetagsdezernent Norbert Brugger der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Städte und Gemeinde monieren, dass ihre Einwohnerzahl viel geringer ausgefallen sei als vor dem Zensus und dies nicht nachvollziehbar sei.

Gründe dafür liegen laut Brugger in den Hochrechnungen auf Grundlage von Erhebungen bei im Schnitt nur zehn Prozent der Haushalte in Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern. Dabei seien die unterschiedlichen Einwohnerstrukturen nicht berücksichtigt worden. In manchen Fällen sei die Basis nur 3,7 Prozent der Haushalte gewesen. Die Kommunen monieren auch, dass sie keinen Einblick in die Zensusunterlagen erhalten. 73 Prozent der Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern haben das Resultat des Zensus nicht akzeptiert.

Brugger rechnet damit, dass die Zahl klagewilliger Kommunen im kommenden Jahr noch deutlich steigen wird. Nach Angaben des Städtetags, der die Kommunen koordiniert und sie mit Textgrundlagen versorgt, sollen jeweils eine oder zwei Städte in den vier Verwaltungsgerichtsbezirken Musterklagen führen und die Verfahren aller anderen Kläger solange ruhen. Brugger: „Damit halten wir die Verfahrenskosten möglichst gering.“

Klagen können die Kommunen erst nach Eingang der Widerspruchsbescheide des Statistischen Landesamtes. Diese sind zwischen Januar und April 2014 zu erwarten. Ursprünglich hatten 365 Gemeinden und Städte im Südwesten - also ein Drittel - Widersprüche eingelegt. Einige wenige sind schon abgelehnt, andere zurückgezogen worden. Nach Bruggers Angaben sind derzeit 279 Verfahren noch offen.

Statistisches Landesamt warnt vor aussichtslosen Klagen

Das Statistische Landesamt hatte vor kurzem die Beschwerden über den Zensus als ungerechtfertigt zurückgewiesen und die Gemeinden vor aussichtslosen Klagen gewarnt. „Das Zensusgesetz stärkt uns in wirklich allen Belangen den Rücken - auch in den Details“, hatte Behördenchefin Carmina Brenner im Oktober betont. Der Grund für die Unterschiede zwischen den Zensus-Zahlen und den fortgeschriebenen Daten liege in behördlichen Ungenauigkeiten. Jedes Jahr gebe es im Südwesten mehr als eine Million Umzüge. Zudem müssten sich die Bürger seit fast zehn Jahren nicht mehr bei den Kommunen abmelden.

Die Zensus-Resultate kosten viele Kommunen hohe Summen. Pro Einwohner weniger gehen ihnen jährlich rund 1000 Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich verloren. In manchen Kommunen schlagen die Ergebnisse mit dreistelligen Minusbeiträgen ins Kontor, in Mannheim bis 2021 mit bis zu 230 Millionen Euro.

Zu den Klagewilligen gehören Freiburg im Breisgau, Rutesheim, Konstanz, Oberndorf am Neckar, Heilbronn, Pfullingen, Emmendingen und Rottenburg am Neckar. Im Südwesten ergab die Bevölkerungszählung 2011 ein Minus von knapp 274.000 Menschen oder 2,5 Prozent weniger als bislang offiziell ausgewiesen. Den größten Aderlass verzeichnen Konstanz (-8,2 Prozent), Mannheim (-7,5 Prozent), Freiburg und Tübingen (je -6,5 Prozent) sowie Heilbronn (-6,1 Prozent).

Brugger geht davon aus, dass die Klagen bis in die höchste Instanz gehen. „Unsere Textgrundlage zielt darauf ab, dass das Bundesverfassungsgericht das Zensusgesetz des Bundes überprüft.“ Eine 17-köpfige Expertengruppe aus Statistikern und Juristen unter Leitung des Städtetages hatte die Blaupause erarbeitet, die bereits mehrere Städte in Sachsen-Anhalt verwenden. Sie beschritten sofort den Klageweg, weil es dort kein Widerspruchsverfahren gibt.