Beim Test auf dem Rhein: Joachim Bäßler (rechts), ­Samuel Völlm. Foto: privat

In Münchingen ist es schön und ruhig. Manchmal zu ruhig. Von Zeit zu Zeit packt Joachim Bäßler (22) und Samuel Völlm (21) der Rappel – und sie müssen die Welt erkunden. Ihr neuestes Projekt: Mit einem Faltboot wollen sie den Rhein hinabfahren. In Rekordzeit.

Korntal-Münchingen - Müsli, Wurst und ansonsten Kartoffelbrei, Kartoffelbrei, Kartoffelbrei. Die 1161 Kilometer von Chur in der Schweiz bis nach Hoek van Holland werden nicht nur für die Muskeln der beiden Paddler anstrengend, sondern vor allem für die Geschmacksnerven. Morgens Müsli, mittags Wurst, abends Kartoffelbrei, dazwischen mal ein Eiweißriegel, so sieht der Speiseplan für nächste Woche aus. „60.000 Kalorien“ sind das, hat Joachim Bäßler ausgerechnet, genug Energie für fünf Tage. Dann wollen sie mit ihrem Faltboot an der Nordsee sein. Das wäre neuer Rekord. Die bisher „schnellste Befahrung des Rheins in einem muskelbetriebenen Boot“ schaffte Martin Möllmann aus Hattingen, in sechs Tagen zwölf Stunden und 55 Minuten.

Um diesen zu unterbieten, wollen sich Joachim Bäßler und Samuel Völlm keine Pausen gönnen und keine Rast machen. Am Montag wollen sie in Chur starten. „Wir werden die ganze Zeit auf dem Boot bleiben“, sagt Bäßler. Möllmann fuhr zum Schlafen ans Ufer. Das Duo aus Münchingen will dagegen im Boot nächtigen, dort kochen und essen. Deshalb ist auch ein Licht Pflicht, schließlich sollen die Steuermänner der Containerschiffe das kleine Faltboot sehen. 5,50 Meter breit und 85 Zentimeter lang ist ihr schwankendes Zuhause. Und es bietet in der Tat eine Kajüte. Eine Art Kajüte. „Der Vordermann kann nach vorne rutschen und liegt dann in der Bootsspitze.“ Sehr gemütlich ist das nicht, „aber es ist wichtig, genug zu schlafen, sonst fehlt die Kraft“. Genug Schlaf heißt in diesem Fall vier oder fünf Stunden am Tag. Übermüdet 1161 Kilometer am Tag zu paddeln, an 21 Staustufen und Schleusen das 60 Kilometer schwere Boot über Land zu hieven, als Menü dazu wird Kartoffelbrei und Rheinwasser gereicht – warum tut man sich das an? „Bei meinem letzten Strandurlaub war ich joggen“, sagt Bäßler. Ohne Bewegen geht es nicht. Aber gerne ausgiebig. Joggen ist für ihn allenfalls ein Aufwärmprogramm. Im Jahr 2012 radelte der Mechatronik-Azubi über Bulgarien und die Türkei nach Georgien. Und über den Kaukasus, die Ukraine, Moldawien, Rumänien, Ungarn, und Österreich zurück nach Münchingen. Weil das Radeln seines 70 Kilo schweren Rades ihn nicht auslastete, bestieg er nebenbei die Berge Hasan Dagi (3268 Meter), Erciyes Dagi (3917 Meter) und den Elbrus (5642 Meter).

Seit einem halben Jahr tüfteln und trainieren sie

Der Bäckermeister Völlm war derweil auch nicht untätig. Er paddelte mit einem Faltboot von Besigheim den Rhein hinab zur Nordsee. Mit an Bord war seine Hündin Gunda. Als die Nachbarn sich in Münchingen wieder trafen und von ihren Abenteuern erzählte, kamen sie auf die Idee, den Rhein von Chur bis nach Hoek van Holland zu befahren.

Gesagt, getan. Seit einem halben Jahr tüfteln und trainieren sie. Meist auf dem Neckar, gegen den Strom, damit sie sich mehr anstrengen müssen. Und auf dem Rhein probten sie den Ernstfall. Vor vier Wochen paddelten sie 200 Kilometer weit von Schaffhausen nach Marckolsheim. Vor allem, „um die Umtragestellen der zahlreichen Staustufen kennen zu lernen“. Und um ihr Boot richtig zu testen. „Am späten Abend bauten wir den vorderen Teil des Bootes in eine Küche um und genossen unser Kartoffelpüree“, erzählen sie. Sie haben eigens einen Kocher basteln lassen, der vorne aufs Boot aufgesetzt wird. Drei Kilo des Kartoffelpüreepulvers haben sie dabei, drei Kilo Müsli, anderthalb Kilo Wurst und 80 Energieriegel. Zum Müsli und Kartoffelbrei anrühren und zum Trinken dient übrigens Rheinwasser, natürlich mittels eines Filters aufbereitet. Das Wasser pur zu trinken, so waghalsig sind sie dann doch nicht.

Bei der Generalprobe paddelten sie in 24 Stunden 200 Kilometer lang. Und passierten 16 der 21 Staustufen. Die Milchmädchenrechnung besagt also, dass man in fünf Tagen die 1161 Kilometer schaffen könnte. Zumal sie mit dem Strom paddeln. Doch sollten ihnen dafür die Winde im Bodensee günstig sein und nicht ins Gesicht wehen; Gewitter sollten sie nicht all zu oft an Land zwingen; und das Boot muss ganz bleiben. Zwar haben sie Holzspanten dabei, um das Boot notfalls reparieren zu können, doch zu groß sollte die Havarie nicht sein.

Geht alles gut, sind sie am nächsten Samstag an der Nordsee. Und können feiern – dann aber ohne Kartoffelbrei und Rheinwasser.