Online bestellte Ware wartet auf Abholung – ein gewohntes Bild für Ikea-Mitarbeiter in den vergangenen Wochen. Jetzt können Kunden wieder ins Möbelhaus. Foto: factum/Jürgen Bach

Ikea hat seine Häuser in Ludwigsburg und Sindelfingen nach dem Corona-Shutdown wieder eröffnet. Die Regeln waren klar, die Kunden weitgehend vernünftig.

Ludwigsburg - Staus bis zu Autobahnabfahrten und Kunden, die sich dicht an dicht drängen und alle Sicherheitsvorkehrungen vergessen: Die Bilder vom „Tag eins“ in Ikea-Häusern in Nordrhein-Westfalen – ein Alptraum für Kunden und Mitarbeiter – hatte Anja Reh deutlich vor Augen, als ihr Team das Wiedereröffnungsszenario für den Ludwigsburger Ableger durchspielte. „Wir haben uns mit anderen Häusern über die Erfahrungen ausgetauscht und waren gut vorbereitet“, sagt die Ludwigsburger Ikea-Chefin.

Nach 540 Kunden ist Schluss

Erleichtert sind die Mitarbeiter dennoch, dass sie am Dienstag um 10 Uhr ihre ersten Kunden mit Applaus begrüßen können anstatt Krisenmanager in einem aus dem Ruder laufenden Menschenpulk spielen zu müssen. Zwar standen schon gegen 8.30 Uhr Kauflustige Schlange. Doch verteilten sie sich artig in der mit Abstandsmarkierungen versehenen, 1,8 Kilometer langen Wartezone vor dem Eingang.

„Mit dem ersten Schwung hatten wir 420 Kunden im Haus“, erzählt Jenny Ärlemalm vom Marketing. „Um 10.20 Uhr waren die Ersten aber auch schon wieder draußen. Viele kaufen sehr gezielt ein.“ Maximal 540 Kunden dürfen sich in Corona-Zeiten auf den 17 000 Quadratmetern Verkaufsfläche bewegen.

Der Notausgang wird zum Hauptausgang

Schon an der Zufahrt werden die Kunden in entsprechende Parkhaus-Zufahrten geleitet; von dort aus weisen ihnen Sicherheitskräfte den rechten Weg durch die Schleuse. Während am Haupteingang ein Zählsystem kontrolliert, wie viele Menschen gerade im Haus sind, und beim Erreichen des Limits auf Rot schaltet, verlassen ein paar Meter daneben Kunden mit vollgepackten Wagen das Haus und werden in Richtung der Aufzüge und des Treppenabgangs geführt. Der Notausgang wurde zum Interims-Hauptausgang umfunktioniert.

Das verhindert Begegnungsverkehr im Drehkreuz. „Wir haben für das Sicherheitskonzept mit einen Veranstaltungstechniker zusammengearbeitet“, berichtet Anja Reh über ihr Konzept.

Probeliegen mit Einweg-Papierunterlage

Am Aufgang zur Möbelausstellung nimmt Andrea Blaschke die Kunden in Empfang. „Die meisten sind sehr zufrieden. Sie freuen sich, dass sie wieder einkaufen können“, erzählt sie, während neben ihr eine Reinigungskraft den Treppen-Handlauf desinfiziert. An jeder Ecke wird auf die Abstandsregeln verwiesen, Wegführungen wurden verändert, Desinfektionsspender stehen bereit.

Für das Probeliegen auf Matratzen kann man zur Einmal-Papierunterlage greifen, individuelle Einrichtungsberatung gibt es an durch Plexiglasscheiben abgeschirmten Arbeitsplätzen. Und damit auch beim Bezahlen Distanz gewahrt wird, ist nur jede zweite Kasse geöffnet. Dennoch: Ohne Selbstverantwortung geht es nicht. Mancher Kunde zieht heimlich die Schutzmaske von der Nase und muss an die Regeln erinnert werden. Auch der Abstand wird im Einkaufseifer mitunter vergessen.

„Die Kunden waren diszipliniert und verständig“

Sprunghaft angestiegen ist während des Shutdowns das Angebot „Click and collect“: Kunden bestellen online vor und bekommen die Ware dann auf einen zugewiesenen Parkplatz aus dem Möbelhaus gebracht. „In normalen Zeiten sind es täglich 40 Bestellungen. Jetzt hatten wir bis zu 850“, sagt die Chefin Anja Reh. Die Zahl dafür zur Verfügung stehenden Parkbuchten stieg in den letzten Wochen von sechs auf 42.

„Je länger die Schließzeit dauerte, desto größere Projekte wie ganze Kinder- oder Wohnzimmer haben die Kunden angepackt“, so Reh. Auch ein Paar in den Fünfzigern, das extra aus Göppingen kam, ist im Umgestaltungs-Fieber. „Wir haben den Flur renoviert und dafür noch ein paar Sachen gebraucht“, erzählt der auf seinem Autorücksitz kniende, sperrige Kartons durch den Kofferraum zerrende Mann.

Im Sindelfinger Ikea ging es bei der Wiedereröffnung ebenfalls gesittet zu: „Die Kunden haben sich gefreut und waren sehr diszipliniert und verständig“, sagt Leiterin Alex Preußer. In Sindelfingen haben derzeit maximal 500 Kunden Zutritt.