Aus dem Züblin-Parkhaus könnte die Interimsoper werden. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Projekt Leonhardsvorstadt wird zur Nagelprobe für die Stadt beim Thema Bürgerbeteiligung. Denn bei der zukünftigen Verwendung des Züblin-Parkhauses, das 2023 abgerissen wird, hat die Stadt bereits eigene Pläne.

Stuttgart - Wäre die Leonhardskirche auch am Sonntag immer so gut besucht, würde Pfarrer Christoph Doll wohl Stoßgebete der Freude gen Himmel schicken. Aber auch in diesem Fall war Doll froh, dass er als Gastgeber in der Leonhardsgemeinde am Dienstagabend rund 100 Besucher begrüßen konnte. Sie alle waren gekommen, um den ersten öffentlichen Aufschlag des Vereins Leonhardsvorstadt seit seiner Gründung Ende 2017 zu erleben. Besser gesagt: Sie wollen an der Zukunft des Stadtquartiers mitwirken.

Diese Aufbruchstimmung bei den knapp 100 Gästen ist spürbar. Ganz gleich, ob bei den Stadt- und Bezirksbeiräten, dem Künstlern, Bordellbetreiber oder dem einfachen Anwohner. Die Lust und Neugierde daran, etwas zu gestalten, elektrisiert die Menschen. Sie alle wollen diesen Weg mitgehen und erleben, wie aus zwei Vierteln eins wird. Wie aus dem Leonhardsviertel und dem Bohnenviertel die Leonhardsvorstadt wird. „Wir wollen das Schicksal selbst in die Hand nehmen und nicht denen überlassen, die sich am Viertel bereichern anstatt es zu bereichern“, sagt Heinrich-Hermann Huth, SPD-Bezirksbeirat und Kneipier im Viertel. Einfach werde diese Aufgabe nicht, weiß Bezirksvorsteherin Mitte, Veronika Kienzle. Die Probleme des Viertels seien ebenso bekannt wie groß: die Armutsprostitution, die (fehlende) Anbindung an die Kulturmeile oder die Vereinbarkeit von Jakobschule, Wohnen und der Drogenszene. „Umso wichtiger ist es diesen komplexen Prozess der Quartiersentwicklung mit unterschiedlichen Interessen zu moderieren“, sagt Hospitalkirchen-Pfarrer Eberhard Schwarz, der den Abend in der Leonhardskirche moderiert.

Kreative Lösungen gesucht

Pfarrer Schwarz weiß, wovon er spricht. Als Vorstand des Forums Hospitalviertel hat er Erfahrung mit Bürgerbeteiligung und Quartiersentwicklung. Und schon bei der ersten Veranstaltung des neuen Vereins dämmert es vielen, auf was der Pfarrer anspielt. Denn nach Lage der Dinge hat die Stadt eigene Interessen am Viertel. Genauer gesagt, an der einzigen großen Fläche, aus der im Sinne einer kreativen Entwicklung etwas zu machen wäre: das Areal des Züblin-Parkhauses, das im Besitz der Stadt ist und dessen Pachtvertrag Ende des Jahres 2022 endet. Damit hat die Stadt offenbar eigene Pläne, wie Claudia Fuhrich vom Stadtplanungsamt bestätig: „Es ist Konsens bei der Stadt, dass das Züblin-Parkhaus abgerissen wird.“ Im Gespräch sei aber auch, „dass dieser Standort für den Bau einer Interimsoper geprüft wird“. In einer früheren Prüfrunde war das Züblin-Parkhaus schon einmal im Spiel – und durchgefallen.

Diese Nachricht beunruhigt die Bürger, die gemäß der Einladung („Nehmen Sie die Chance wahr, mitzureden, mitzugestalten und mitzuentscheiden“) andere Vorstellung zum Thema Bürgerbeteiligung haben. Auch Veronika Kienzle stellt nüchtern fest: „Man kann nicht gleichzeitig über die Interimsoper nachdenken und Bürgerbeteiligung einfordern.“

Unterdessen wies die Stadt am Donnerstag in einer Pressemitteilung darauf hin, dass eine Vielzahl möglicher Opern-Standorte seit Mai von einer eigens eingerichteten Task-Force geprüft werde. Zwischenergebnisse gebe es noch nicht, weswegen die Zuspitzung auf einen Standort irreführend sei. Im Herbst werde die Task-Force Oper die Ergebnisse ihrer Prüfungen vorstellen und dann mit den zuständigen Gremien sowie den Bürger beraten.