Der Manager Horst Heldt sieht Hannover 96 in der Liga noch nicht endgültig gerettet. Foto: Getty

An diesem Samstag kehrt Horst Heldt zum Gastspiel nach Stuttgart zurück, wo er 2007 als Manager Meister wurde. Den VfB sieht der 48-Jährige im Interview mit unserer Redaktion für die Zukunft gut aufgestellt.

Stuttgart - Wie dem VfB ist auch Hannover 96 im vergangenen Sommer der unmittelbare Wiederaufstieg in die erste Fußball-Bundesliga gelungen. Um definitiv erstklassig zu bleiben, würde den Niedersachsen ein erfolgreicher Auftritt am Samstag (15.30 Uhr) in Stuttgart guttun.

Herr Heldt, nach zuvor fünf Niederlagen in Folge hat Hannover 96 vergangene Woche Werder Bremen geschlagen und nun 35 Punkte auf dem Konto. Sie kommen entspannt in Ihre alte Heimat, nehmen wir an.
Der Erfolg gegen Werder war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber Entspannung? Dieses Wort passt nicht zum Bundesligabetrieb – und auch nicht zu unserer Situation. Aber Sie haben schon Recht: Ein wenig beruhigter können wir in die Aufgaben der nächsten Wochen schon gehen.
Woran lag es denn, dass Ihr Team so lange keine Punkte eingefahren hatte?
Wir haben zweimal nicht das an den Tag gelegt, was uns bisher in dieser Saison ausgezeichnet hat. Gegen Borussia Mönchengladbach haben wir ordentlich gespielt, aber verloren. Und in Borussia Dortmund und RB Leipzig hatten wir dann zwei starke Gegner, gegen die wir lange gut mitgehalten haben.
Bedeutet?
Dass fünf Niederlagen in Folge zwar weh tun, man aber die Spiele einzeln analysieren muss. Wir haben schon vor dem Sieg über Werder Bremen wieder aufsteigende Form gezeigt. Mit dem vergangenen Spieltag konnten wir dann wieder sehr zufrieden sein, da wir den Vorsprung auf den Relegationsrang um zwei Punkte vergrößert haben. Aber wir sind noch nicht durch.
Das sagt der VfB-Cheftrainer Tayfun Korkut auch – bei elf statt Ihrer acht Punkte Vorsprung auf Rang 16.
Wie wichtig war für den VfB auf dem Weg zum Klassenverbleib die Verpflichtung von Mario Gomez?
Ich will es mal so sagen: Ich bin heute noch dankbar dafür, dass ich eine Zeit lang mit ihm zusammenarbeiten durfte.
Warum?
Weil er für mich eine absolute Persönlichkeit ist – und zwar in vielerlei Hinsicht. Dazu ist er jetzt noch reifer und erfahrener. Er hat was zu sagen, die Menschen hören ihm zu, die Mitspieler folgen ihm. Was eine solche Aura für ein Team bedeutet, ist von außen schwer zu beurteilen. Aber für die jüngste Entwicklung des VfB ist Mario sicher die entscheidende Personalie gewesen, er ist für den Club Gold wert.
Sechs Treffer hat er seit seiner Rückkehr bereits erzielt.
Ja, aber ich bemesse seine Bedeutung nicht nur an Toren. Allein sein Name hat in Stuttgart doch wieder für eine positive Stimmung gesorgt. Man merkt ihm an, dass er sich wohl und zuhause fühlt, und er hat gezeigt, dass er weiter ein treffsicherer Stürmer ist. Aber wenn ich ihn am Samstag sehe, werde ich ihm erst mal in den Hintern treten. (lacht)
Warum das denn?
Weil er mir nichts von dem Wechsel nach Stuttgart gesagt hat – obwohl wir kurz vor Weihnachten zusammen im Flugzeug saßen. Deshalb hat es mich dann auch aus den Socken gehauen, als ich es schließlich erfahren habe. Aber im Ernst: Man trifft im Leben Menschen, denen man einfach großen Respekt zollt. Mario gehört für mich ganz klar dazu. Und: Er war einer der besten Stürmer, die Deutschland je hatte. Egal, wo er gespielt hat, er hat immer getroffen.
Er war einer der Besten?
Er gehört nach wie vor dazu.
Muss er mit zur WM?
Für mich hätte er es auf jeden Fall verdient, dabeizusein. Und ich bin auch sicher: Er könnte viel zu einem erfolgreichen Abschneiden der deutschen Mannschaft beitragen. Aber das ist natürlich nicht meine Entscheidung, der Bundestrainer wird schon wissen, was er tut – und mich vermutlich nicht um Rat fragen.
Fragt Ihr früherer Weggefährte Armin Veh eigentlich manchmal nach, wie der Job als Sportdirektor so geht?
Nein. Aber wir sehen uns aber nach wie vor regelmäßig und telefonieren oft.
Armin Veh ist beim 1. FC Köln Geschäftsführer Sport. Auch Sie tragen demnächst diesen Titel bei Hannover 96 und sind nicht länger „nur“ Manager. Welche Bedeutung hat diese Beförderung für Sie?
Es bedeutet Wertschätzung, es bedeutet mehr Kompetenzen – aber auch mehr Pflichten und Verantwortung. Dass wir das Thema angehen, war schon länger geplant, derzeit reden wir über Inhalte.
Wie zufrieden sind Sie denn mit den Rahmenbedingungen, die Ihnen der Standort Hannover bietet?
Wir haben vor und während dieser Saison so viel in den Kader investiert, wie es in Hannover noch nie zuvor der Fall war. Im Ligavergleich allerdings stehen wir damit vielleicht auf Platz 17. Dieses Beispiel rückt die Verhältnisse so ein bisschen ins richtige Licht. Klar ist einfach, dass der VfB und Hannover 96 zum falschen Zeitpunkt abgestiegen sind.
Warum?
Weil der Abstieg durch die Neuverteilung der Fernsehgelder besonders große Auswirkungen hatte, die noch immer spürbar sind – und spürbar bleiben werden.
Der VfB hat nach dem Aufstieg die Ausgliederung auf den Weg gebracht und dadurch frisches Kapital bekommen. War das ein großer Vorteil gegenüber Hannover 96?
Wir können und wollen uns auch nicht über Unterstützung beklagen. Aber diese Finanzspritze war für den VfB sicher sehr wertvoll und kam zum richtigen Zeitpunkt, denn auch als Zweitligameister muss man nachlegen, um in der Bundesliga konkurrenzfähig zu sein.
Über die Konkurrenzsituation in der Liga wird derzeit viel diskutiert. Haben Sie auch Sorgen aufgrund der Dominanz des FC Bayern?
Ehrlich gesagt wundere ich mich immer ein wenig, dass dies immer noch thematisiert wird. Selbst als ich noch aktiv gespielt habe, war der FC Bayern ja schon Serienmeister – es gab höchstens mal Ausnahmejahre, in denen es andere Clubs nach oben geschafft haben. Zum Beispiel wir 2007 mit dem VfB Stuttgart.
Heute, so scheint es nach sechs Münchner Meisterschaften in Folge, sind selbst Ausnahmen nicht mehr möglich.
Es ist verständlich, dass viele Menschen daran nicht mehr glauben. Dennoch bin ich der Meinung, dass es nach wie vor Vereine gibt, die die Kraft haben, da zu sein, wenn die Bayern mal ein schwächeres Jahr haben. Davon bin ich überzeugt.
Welche Clubs könnten ein solches schwächeres Jahr der Münchner ausnutzen?
Die, die auch jetzt in der Spitzengruppe stehen. Schalke 04, Bayer Leverkusen, allen voran aber natürlich Borussia Dortmund und RB Leipzig aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten.
Wo kann sich Hannover 96 auf lange Sicht im Ligaranking einsortieren?
Es gibt Wünsche und Träume – und es gibt die Realität. Dazwischen bewegt man sich immer in diesem Geschäft. Natürlich träumen auch wir in Hannover davon, dass der Club vielleicht mal wieder eine Rolle spielen kann, wie sie Eintracht Frankfurt in dieser Saison spielt. Es ist aktuell aber viel zu früh, sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Der Abstieg hat den Verein zurückgeworfen. Deshalb geht es für uns zunächst darum, in jedem Jahr aufs Neue konkurrenzfähig zu sein.
Der VfB, der ebenfalls ein Jahr zweite Liga hinter sich hat, hat das Ziel ausgegeben, in den nächsten Jahren wieder im oberen Drittel mitzuspielen. Ist das vermessen?
Ich will das aus der Ferne nicht abschließend bewerten. Grundsätzlich aber bin ich generell ein Freund davon, sich ambitionierte Ziele zu setzen, Alibis schaffen kann jeder. Und was wäre denn, wenn der Präsident sagen würde: ‚Wir haben jetzt ausgegliedert, haben frisches Kapital bekommen und wollen jetzt mittelfristig zwischen Platz zwölf und 15 spielen’? Das würde doch auch keiner verstehen.