Jack Ketchum (1946-2018) zählte zur ersten Garde der US-Horrorautoren. Foto: Youtube

Stpehen King hat Jack Ketchum einmal den furchteinflößendsten Mann Amerikas genannt – ein hohes, aber auch verdientes Kompliment für den nun im Alter von 71 Jahren gestorbenen Autor. In einer harten, klaren Sprache verwandelte Ketchum unter anderem den Krieg der Geschlechter in Horrorszenarien.

Stuttgart - Ein paar junge Burschen bringen den Hund eines älteren Mannes vor dessen Augen um. Der Mann sucht Gerechtigkeit, wird abgewiesen, und ein Nachbarschaftskrieg beginnt. Das ist die Handlung von Jack Ketchums Roman „Red“, der mit Brian Cox in der Hauptrolle auch knackig verfilmt wurde. Es gibt in diesem Thriller kein einziges übernatürliches Element, trotzdem passt auch hier das Etikett Horror, mit dem der am 24. Januar 2018 im Alter von 71 Jahren gestorbene Ketchum von den Holunderlimonadenpartys der feineren Literatur ferngehalten wurde. In „Red“ herrscht der Geist unberechenbarer Entgleisung weit hinaus aus dem bislang Vertrauten, hier wird die Flanke des zivilisierten, geordneten Alltags von einem ungeheuerlichen Ereignis aufgerissen wie die Seite eines Schiffs von einem Eisberg: Nun geht es hinab in dunkle Tiefen.

Geboren wurde Ketchum am 10. November 1946 als Dallas Mayr in Livingston, New Jersey, und er hat später sehr offen über eine orientierungslose Jugend zwischen Absturzkneipen, Drogen und Suffbekanntschaftssex geschrieben. Für Literatur aber hat er sich immer interessiert, hat früh den Autor Robert Bloch („Psycho“) kennengelernt, der sein Mentor wurde, und bekam einen Job in einer Literaturagentur, wo er unter anderem Henry Miller betreute. Die rüdere, dem amerikanischen Penneralltag viel stärker verhaftete Variante des Vorzeigesünders Miller aber über einen noch stärkeren Einfluss auf Ketchum aus: Charles Bukowski („Fuck Machine“, „Der Mann mit der Ledertasche“).

Schmutzpartikel des Lebens

Nicht verblümt schreiben, die Kraft und Derbheit der Gossensprache nutzen, ohne sich auf die dahinter stehende Begrenztheit des Blicks einzulassen: das war ein Programm, das Ketchum mit einer Meisterschaft umsetzte, die dem flüchtigen Blick wie Kunstlosigkeit vorkam – als habe da einer einfach umherflirrende Schmutzpartikel des Lebens auf Papier geklatscht wie man eine Motte aus der Luft schlägt. Angefangen hat Ketchum mit Geschichten für Pornomagazine, die er später gesammelt unter dem schönen, beim Autorenkollegen Nick Tosches geborgten Titel „Broken on the Wheel of Sex“ veröffentlicht hat.

Wo Stephen King, der zu seinen Fans zählte, mit psychologischen Mustern arbeitet und Horror zur Entfesselung freudscher Furien nutzte, blieb Ketchum zugleich pragmatischer und unheimlicher. Das Böse bei ihm ist roher, archaischer, oft scheint da ein alter Krieg zwischen Männer und Frauen aus Ehehöllen hinter Vorhängen herauszuspringen in ein grelleres Szenario: wie in „Evil“ (1989) und „Beuterausch“ (2011). Ja, hat Ketchum gesagt, es sei doch ein schönes Leseerlebnis, wenn man mal so richtig vor Angst durchgeschüttelt werde. Aber damit war es ihm dann doch noch nicht genug, es gab einen spürbaren moralischen Ansatz in seinen Büchern. „Ich will“, hat er gesagt, „aufzeigen, wie leicht es ist, jemandem wirklich weh zu tun.“