Axel Prahl und Jan Josef Liefers (rechts) gehören zu den Besserver-dienern – zu Recht. Foto: dpa

Verdienen die „Tatort“-Schauspieler Jan Josef Liefers und Axel Prahl mehr als ihre Kollegen? Warum sie jetzt noch mehr Geld fordern – und jeden Cent wert sind.

Stuttgart - Es hat eine gewisse Tradition: Seit knapp zwanzig Jahren gerät die ARD regelmäßig in die Schlagzeilen, weil sie sich bestimmte Programmentscheidungen nach Ansicht ihrer Kritiker viel Geld kosten lässt. Der Sündenfall war 1998 eine Kooperation mit dem Radrennstall der Telekom. Selbst Radsportfans fanden es seltsam, dass die ARD als übertragender Sender der Tour de France auch als Sponsor des Teams Telekom auftrat; von einem speziellen Vertrag mit Jan Ullrich, der dem Ersten aber keine Interview-Exklusivität garantierte, ganz zu schweigen. Seither gibt es immer Schlagzeilen dieser Art. Meist geht es dabei um Honorare für Moderatoren wie Harald Schmidt oder Günther Jauch oder einen Fußballexperten wieMehmet Scholl. Letzter Skandal war die Zusammenarbeit mit Thomas Gottschalk. Nach seinem Abschied von „Wetten, dass..?“ war der Moderator 2012 zur ARD zurückgekehrt, um dort die tägliche Vorabend-Talkshow „Gottschalk live“ zu moderieren. Das Konzept ging nicht auf, die Sendung wurde nach 70 Folgen abgesetzt. Trotzdem hat Gottschalk das Gesamthonorar in Höhe von 4,6 Millionen Euro für alle geplanten 144 Folgen bekommen. Für zwei vereinbarte, aber nie realisierte Abendshows sind ihm darüber hinaus 400 000 Euro gezahlt worden.

Gemessen an solchen Honoraren sind die jüngst kolportierten Forderungen von Axel Prahl und Jan Josef Liefers beinahe Petitessen: Die Stars des „Tatorts“ aus Münster, heißt es in Medienberichten, hätten gern statt bisher 100 000 Euro in Zukunft gern 200 000 Euro pro Episode. Prompt gibt es große Aufregung, zumal der WDR unter großem Spardruck steht. 200 000 Euro für 23 Drehtage klingt in der Tat sehr großzügig, erst recht, wenn man bedenkt, dass das Budget einer „Tatort“-Folge im Schnitt bei 1,5 Millionen Euro liegt. Trotzdem wären die beiden Schauspieler mit dieser Summe keineswegs Topverdiener im Ersten: Maria Furtwängler, Darstellerin der LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm aus Hannover, bekommt angeblich noch ein paar tausend Euro mehr, auch Ulrich Tukur (HR), Til Schweiger und Axel Milberg (beide NDR) sollen mehr verdienen. Allerdings gibt es keine verlässlichen Quellen für die vielen Summen, die derzeit vor allem von Boulevardmedien genannt werden; die Sender bewahren aus vertragsrechtlichen Gründen Stillschweigen über die Höhe der Honorare.

Keine Neiddebatte

Entscheidender sind ohnehin andere Zahlen: Prahl und Liefers erreichen mit ihren Krimis regelmäßig ein Publikum im zweistelligen Millionenbereich. Der jüngste Film, „Feierstunde“, hatte über 13,3 Millionen Zuschauer; abgesehen von wichtigen Fußballturnieren sind solche Erfolge mittlerweile einmalig im deutschen Fernsehen. Das ist wohl auch der Grund, warum unter den Schauspielern keine Neiddebatte aufkommt. Bei Gagenfragen zeigt die Berufsgruppe ohnehin viel Solidarität; und das, obwohl die meisten von solchen Summen nur träumen können.

Nach einer Studie der Schauspielergewerkschaft BFFS (Bundesverband Schauspiel) gehören Prahl und Liefers zu den 4 Prozent, die über 100 000 Euro pro Jahr verdienen. Weit über die Hälfte ihrer Kollegen kommt auf nicht mal 20 000 Euro im Jahr. Viele sind zwischen den Engagements ein Fall für Hartz IV und müssen mit Altersarmut rechnen. Nach Angaben des stellvertretenden BFFS-Vorstandsvorsitzenden Hans-Werner Meyer hat sein Berufsstand in den letzten 15 Jahren bis zu 50 Prozent Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Trotzdem bekämen die wenigen Kollegen, die über 100 000 Euro verdienten, „ihr Geld selbstverständlich zu Recht: weil sie für das nötige Interesse sorgen, dem die Filme ihre wirtschaftliche Grundlage verdanken. Ohne Stars keine Filmindustrie. Sich darüber zu unterhalten, ab welcher Höhe dieses Interesse die Gagenhöhe nicht mehr rechtfertigt, ist müßig, weil niemand eine Gage zahlen würde, die nicht durch den Erfolg gedeckt wird.“ Deshalb bestehe der wahre Skandal nicht in der Forderung nach mehr Geld, sondern in der öffentlichen Diskussion darüber: Liefers und Prahl „halten den Münsteraner ‚Tatort’ seit Jahren in der Erfolgszone und sorgen damit für Rollen und Arbeit für viele andere Filmschaffende.“ Meyer kritisiert seinerseits die Praxis der ARD-Anstalten, die Schauspieler nicht am Erfolg ihrer Filme zu beteiligen. Mit der Sendergruppe ProSiebenSat.1 hat der BFFS einen entsprechenden Vertrag ausgehandelt.

Die Nachzahlung fällt weg

Ein wichtiger Aspekt ist zudem zu wenig berücksichtigt worden: Die Forderung der beiden Stars erfolgte nicht aus heiterem Himmel, sondern war eine Folge veränderter Vertragsbedingungen: Bislang bekamen die Schauspieler bei Wiederholungen eine Honorarnachzahlung; in Zukunft gilt dies nur noch für Autoren und Regisseure. Das höhere Honorar würde also die wegfallenden Nachzahlungen miteinschließen. Der BFFS und andere Berufsverbände verhandeln laut Meyer derzeit mit der ARD, um die „urheberrechtlich gebotenen Folgevergütungen durchzusetzen“, auf die die weniger bekannten Schauspieler ohne Gegenleistung verzichten müssen. Außerdem würden gerade die Stars der Branche viel zurückgeben. Auf „jeden anständig bezahlten Drehtag kommt eine Reihe unbezahlter Engagements“ bei Studentenfilmen oder Produktionen wie dem „Kleinen Fernsehspiel“, bei denen der künstlerische Anspruch in keinerlei Verhältnis zur symbolischen Gage stehe: „Wir subventionieren auf diese Weise gewissermaßen unsere Filmindustrie und finanzieren unser eigenes Arbeitsleben quer.“