Unter anderem die Spieler von Borussia Dortmund und Hannover 96 haben vor dem Bundesligaspiel an die Opfer des Holocaust erinnert. Foto: Bongarts

Zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus mahnt nicht nur die Kanzlerin zum Aufstehen gegen Antisemitismus. Charlotte Knobloch beklagt eine „Pogromstimmung“ in sozialen Medien.

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum Holocaust-Gedenktag an diesem Sonntag dazu aufgerufen, null Toleranz gegenüber Antisemitismus zu zeigen. „Dieser Tag lässt uns daran erinnern, was Rassenwahn, Hass und Menschenfeindlichkeit anrichten können“, sagte Merkel in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast. Jeder Einzelne in der Gesellschaft habe die Aufgabe, „auch Verantwortung dafür zu tragen, dass wir null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn zeigen“. „Und das ist leider in unserer heutigen Zeit wieder von großer Dringlichkeit.“

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, verlangte einen „Aufschrei der gesellschaftlichen und politischen Institutionen“ und „gesellschaftlichen Widerstand“ gegen Antisemitismus. Knobloch sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag), der Judenhass habe hierzulande wieder deutlich zugenommen.

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Auschwitz steht symbolhaft für die NS-Verbrechen

Am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar wird der sechs Millionen ermordeten europäischen Juden und aller anderen Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Am 27. Januar 1945 hatten sowjetische Soldaten die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz befreit. Das Lager steht symbolhaft für die NS-Verbrechen. Auch der Bundestag erinnert jährlich in einer Gedenkstunde an die Opfer. Sie findet diesmal am kommenden Donnerstag statt. Merkel bezeichnete den Gedenktag als „Mahnung, damit sich so etwas niemals wiederholt“.

Die Kanzlerin beklagte, Antisemitismus und menschenfeindliche Hetze seien leider auch heute noch Teil unserer Gesellschaft, „und deshalb gehen wir dagegen natürlich entschieden vor“. Sie verwies auf das 2018 geschaffene Amt des Beauftragten der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus und auf die geplante bundesweite Meldestelle für judenfeindliche Übergriffe. „Denn wir sehen heute sehr verschiedene Formen des Antisemitismus: Einmal der Hass auf Juden durch die hiesige Bevölkerung, aber auch durch zugewanderte muslimische Menschen, die diesen Hass auf ganz andere Weise noch einmal zum Ausdruck bringen.“

Auschwitz-Komitee besorgt über politische Lage

Knobloch sagte, Judenhass gebe es „von der politischen Linken, von Rechtsextremen wie der AfD und von Muslimen, die den Judenhass mit einer Israelfeindlichkeit verbinden.“ Sie kritisierte: „Wir erleben oft eine Pogromstimmung in den sogenannten sozialen Netzwerken.“

Das Internationale Auschwitz Komitee äußerte sich besorgt über die politische Lage in Europa. „Tagtäglich wird von rechten Kräften versucht, die verbindenden Werte einer Gesellschaft lächerlich zu machen und die Demokratie der Verachtung preiszugeben“, erklärte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner. An die Stelle von Empathie und Toleranz trete Abgrenzung, Neid und aggressiver Hass. „Gerade deshalb sind die Überlebenden von Auschwitz in diesen Tagen besonders froh darüber, dass ein Ruck durch Europa zu gehen scheint und immer mehr Menschen ihre gleichgültige Distanz aufgeben und diesen Entwicklungen entgegentreten.“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, mahnte: „Wir dürfen nicht vergessen, was damals in unserem Land Menschen anderen Menschen angetan haben.“ Und weiter: „Denn daraus erwächst eine besondere Verantwortung für Gegenwart und Zukunft.“