Eine Initiative der bayerischen Landesregierung will die Rechte der Mieter im Kampf gegen hohe Mieten stärken. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko/Lichtgut/Max Kovalenko

Landesregierung über Entscheidung für Bundesratsinitiative uneins – Mieterbund: „Man lässt die Mieter im Regen stehen“

Stuttgart - Bayern will mit einer Bundesratsinitiative gegen Mietwucher vorgehen. Die baden-württembergische Landesregierung kann sich bislang allerdings nicht dazu durchringen, ob sie der Idee folgt oder nicht. In der Kabinettssitzung am Dienstag habe man „freie Hand“ beschlossen, sagte ein Regierungssprecher. Das heißt, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) werde bis zur Abstimmung im Bundesrat am Freitag zusammen mit seinem Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) entscheiden.

Alter Paragraf mit neuem Leben

Mit der Bundesratsinitiative will Bayern erreichen, dass Mieter effektiver vor Wuchermieten geschützt werden. Zwar sieht das Wirtschaftsstrafgesetzbuch Bußgelder vor, wenn Mieten von mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt werden. Doch nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2004 war der Paragraf faktisch außer Kraft gesetzt, da der Mieter gleich zwei schwierige Beweise zu führen hatte. Er musste zum einen darlegen, dass er trotz ausreichender Bemühungen um eine Mietwohnung in einer Zwangslage und damit genau auf diesen Mietvertrag angewiesen war. Außerdem musste er beweisen, dass der Vermieter diese Zwangslage erkannt und ausgenutzt hat. „Diese Hürden sind zu hoch“, befand man im bayerischen Justizministerium. Das Gesetz soll deshalb dahingehend geändert werden, dass aus objektiver Sicht – also am Markt – ein geringes Angebot an vergleichbaren Mietwohnungen vorliegen muss. Außerdem will Bayern den Bußgeldrahmen von den derzeit geltenden 50 000 Euro auf 100 000 Euro verdoppeln. Wie die Abstimmung am Freitag ausfällt, ist noch offen. Die beratenden Ausschüsse im Bundesrat hatten aber empfohlen, den Gesetzentwurf beim Bundestag einzubringen.

Wirtschaftsministerium dagegen

Bei den Grünen im Land stößt der Vorschlag durchaus auf Gegenliebe, wie aus Kreisen zu hören ist. Vorbehalte gab es hingegen in den CDU-regierten Fachministerien. Das Justizministerium hatte sich bei der Abstimmung in den Ausschüssen des Bundesrats enthalten, das Wirtschaftsministerium hatte dagegen gestimmt. Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums reicht der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verschärfung der Mietpreisbremse aus. Darin ist vorgesehen, dass Mieter rückwirkend überhöhte Miete zurückfordern können. Eine zusätzlich verschärfende Regelung im Wirtschaftsstrafgesetz sei daher obsolet, so eine Sprecherin.

Beim Deutschen Mieterbund stößt das auf Unverständnis. „Man lässt die Mieter im Regen stehen“, wetterte der Vorsitzende Landesverbandes, Rolf Gaßmann. Jüngste Studien wie der Mietspiegelvergleich der Beratungsfirma F+B zeigten, das sich in Baden-Württemberg die teuersten Städte der Republik fänden. „Der Schutz der Mieter vor der Mietexplosion muss durchgesetzt werden.“ Da derzeit die Mietpreisbremse im Land auch nicht greife, gebe es aktuell keinerlei Möglichkeiten, gegen unverhältnismäßig hohe Mieten vorzugehen.

Haus und Grund warnt vor Kriminalisierung

„Das Schlimme ist, das zahlt die öffentliche Hand“, sagt Gaßmann. Häufig würden Menschen in Notlagen Wohnungen für 30 oder 35 Euro pro Quadratmeter angeboten. Die Kosten übernehme dann das Jobcenter oder das Sozialamt. „Das hinzunehmen ist skandalös“, findet Gaßmann. Er verstehe nicht, warum in Baden-Württemberg unter grüner Regierung nicht möglich sei, was in Bayern unter CSU-Regierung möglich sei.

Beim Eigentümerverband Haus und Grund hält man den Vorstoß der Bayern hingegen für kein taugliches Mittel. „Für mich ist das Populismus“, sagte Ottmar Wernicke, Geschäftsführer des Landesverbands. Vermieter würden kriminalisiert, der Nachweis sei angesichts fehlendender Mietspiegel in vielen Städten schwierig. Eine Verschärfung würde seiner Ansicht nach mehr Schaden als Nutzen bringen. Wernicke fürchtet, dass der Vorstoß zu Unruhe unter potenziellen Investoren führt – ähnlich wie der in Berlin diskutierte Mietendeckel.

Idee nicht ganz neu

Die Idee, die Wirkung des Paragrafen im Wirtschaftsstrafgesetzbuch zu verbessern, ist nicht ganz neu. Auch im Justizministerium wurde bereits darüber nachgedacht. Ein erster Gesetzentwurf zur Verschärfung der Mietpreisbremse sah ursprünglich vor, die Regelung ins Zivilrecht zu überführen. Allerdings wurde die Passage später gestrichen. Schleswig-Holstein meldete sich jüngst im Bundesrat mit einem ähnlichen Vorschlag noch einmal zu Wort.

Ganz vom Tisch scheint der Gedanke allerdings auch in Berlin noch nicht zu sein. Das Bundesjustizministerium unterstütze die Zielrichtung und das Grundanliegen des bayerischen Entwurfs, so ein Sprecher. Allerdings gebe es hohe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Regelung. Der Vorschlag werde derzeit hausintern geprüft.