Kein Vergleich zu Remseck: Die Trauerhalle des Münchner Ostfriedhofs Foto: dpa

Nirgendwo kosten Trauerfeiern so viel wie in Remseck. Das muss so sein, sagt die Stadt. Aber: Warum eigentlich?

Remseck - Die Aussegnungshalle, die der Friedhof im Remsecker Stadtteil Aldingen zu bieten hat, verfügt über keine vergoldeten Weihwasserbecken. Beheizbare Sitzbänke gibt es nicht, auch keine Wände aus Marmor. Wundern würde es einen allerdings nicht. Der Preis, den die Stadt trauernden Angehörigen für die Nutzung der Aldinger Halle berechnet, ist so hoch wie nirgendwo sonst in der Region Stuttgart: 1000 Euro. Derselbe Preis gilt für die Aussegnungshallen in den Stadtteilen Neckarrems und Hochdorf.

Es ist nicht so, dass Remseck diesen Spitzenplatz gern einnimmt. Immer wieder beschweren sich Hinterbliebene über diesen unüblich hohen Preis, der eine ohnehin kostspielige Bestattung noch teurer macht. „Das ist ein undankbares Thema“, sagt der Kämmerer Siegmar Kellert. Und es ist auch nicht so, dass sich die Stadt über das ungünstige Preis-Leistungs-Verhältnis nicht im Klaren ist. „Es gibt eine gewisse Abnutzung“, sagt Siegmar Kellert, der erst letztes Jahr Geld ausgeben musste für die Sanierung der Halle in Neckarrems. Undichtes Dach, Spuren von Siebenschläfern – was halt so ansteht, nach mehr als 30 Jahren. Leider ist es aber auch so, dass die Stadt die Preise nicht senken wird. Zumindest nicht, so lange das Remsecker Bestattungswesen dezentral ausgerichtet bleibt. Drei Hallen in drei Stadtteilen, rechnet der Kämmerer vor, das verursache nun einmal hohe Kosten.

Neidischer Blick über den Stadtrand

Allerdings: Ganz so einfach ist es dann doch nicht, wie ein Blick über den Stadtrand zeigt. Und, auch das zeigt sich dabei: Beim Sterben darf man die Rechnung nicht ohne seine Mitbürger machen.

Ditzingen zum Beispiel: Vier Stadtteile hat die große Kreisstadt, vier Friedhöfe und vier Aussegnungshallen. Für deren Nutzung berechnet die Stadt: 175 Euro. Oder Ostfildern im Kreis Esslingen: In den fünf Stadtteilen gibt es fünf Friedhöfe, von denen vier mit einer Halle zum Abhalten von Trauerfeiern ausgestattet sind. Kosten: 200 Euro. Die Nutzung einer der drei Aussegnungshallen in Leonberg im Kreis Böblingen kostet zwischen 350 und 450 Euro. Und in Schorndorf im Rems-Murr-Kreis gibt es in sieben Stadtteilen zehn Friedhöfe, die alle über eine – mehr oder weniger stattliche – Halle verfügen. Für die größte verlangt die Stadt: 300 Euro.

Der Remsecker Kämmerer Kellert könnte seinen Remseckern empfehlen, im Falle des Falles die Trauerfeier auf den Friedhöfen der übrigen Stadtteile abzuhalten. Für die Aussegnungshallen dort werden lediglich 300 Euro fällig. Allerdings, das weiß auch Siegmar Kellert, hätte diese Empfehlung für die Benutzer zwei Haken: Die günstigeren Aussegnungshallen dort sind gar keine Hallen, sondern eher Unterstände. Und unpraktisch wäre das Prozedere obendrein, weil die Trauergemeinschaft nach der Feier im einen Ort zur Beisetzung in den anderen Ort, dem Heimatort, gondeln müsste.

Die Remsecker können fast noch froh sein

Deshalb merkt Siegmar Kellert lieber an, dass die Gebühren für die richtigen Aussegnungshallen bestmöglich kalkuliert sind. Exakt 79 Prozent der Hallenkosten seinen durch die Nutzung gedeckt. Lediglich 21 Prozent müssten aus allgemeinen Steuermitteln getragen werden.

Ob das ein Trost ist? Allenfalls ein schwacher. Denn, schaut man sich um, ist festzustellen: Es geht auch anders.

Sachsenheim kommt mit seinen sechs Aussegnungshallen, die für jeweils 340 Euro zu buchen sind, auf eine Kostendeckung von: 100 Prozent. Vaihingen, sechs Hallen à 398 Euro, und drei à 199 Euro, schafft 71 Prozent. Waiblingen mit fünf Hallen zu 423 Euro, kann 90 Prozent der Kosten decken. Und Esslingen – die Stadt berechnet für ihre vier Feierhallen je 423 Euro – bringt es so auf rund 85 Prozent.

Theoretisch könnten sich die Remsecker ganz woanders bestatten lassen, an einem günstigeren Ort. Bietigheim-Bissingen ist in dieser Hinsicht attraktiv. Dort ist die Nutzung einer Feierhalle in der Grundgebühr – 740 Euro für eine Erdbestattung, maximal 440 Euro für eine Bestattung mit Urne – enthalten. Ebenso in Ebersbach – wobei die Stadt im Kreis Göppingen schon sehr weit entfernt wäre von der Heimat. Und, ebenfalls theoretisch, kann eine Trauergemeinde auch auf eine Trauerhalle verzichten. In beiden Fällen allerdings würden die Gebühren in Remseck mit großer Wahrscheinlichkeit noch höher ausfallen.

Ein Zentralfriedhof wäre praktisch

Denn dass die Kreisstadt mit den 26 000 Einwohnern eine üppige Infrastruktur im Friedhofswesen zu finanzieren hat, ist das eine. Als besonders misslich kommt hinzu: Die Infrastruktur wird relativ wenig genutzt. Lediglich rund 75 Verstorbene werden pro Jahr in Aldingen, Neckarrems und Hochdorf bestattet.

Geislingen im Kreis Göppingen, wo unter den 27 500 Einwohnern im Jahr durchschnittlich 350 aus dem Leben scheiden, kann es sich deshalb leisten, seine zwei Aussegnungshallen für günstige 230 Euro zu vermieten. Von den 36 000 Backnangern werden jährlich etwa 250 zu Grabe getragen. Die Stadt im Rems-Murr-Kreis verlangt für die Nutzung ihrer drei unterschiedlich großen Trauerhallen maximal 207 Euro. Herrenberg reichen 390 Euro. Und die Große Kreisstadt Ludwigsburg kommt mit 465 Euro zurecht.

Am sinnvollsten, aus rein monetärer Sicht, wäre für Remseck also ein Zentralfriedhof inklusive zentraler Trauerhalle. „Das würde die Sache natürlich entspannen“, sagt Siegmar Kellert, der dann mit durchschnittlich 112 Nutzungen kalkulieren könnte. So viele Bürger werden pro Jahr in Remseck bestattet. Aber das, auch das sagt Kellert, gehe ja schlecht: Den Stadtteilen ihre Ruhestätten wegnehmen. Abgesehen davon, würde so ein Neubau ja auch erst mal sehr viel Geld kosten.

Bis auf Weiteres bleibt das Sterben in Remseck wie es ist: einzigartig teuer.