Jens Harzer, Ensemblemitglied am Hamburger Thalia-Theater, spricht Texte von Paul Celan auf dem Hörbuch „Celan/Harzer. Eine Annäherung“. Foto: imago images/Future Image/Christoph Hardt via www.imago-images.de

Gedichte von dem großen Paul Celan, interpretiert von Jens Harzer. Der Schauspieler betont die Sprachkunst des Dichters, kommentiert sie und und zeigt, wie schwer es ist, die dunklen Verse zu rezitieren.

Stuttgart - Jahaa! Super. Wirklich! Das möchte man immer wieder rufen, wenn Jens Harzer, einer der interessantesten deutschsprachigen Schauspieler, fragt: „Okay, erst mal?“ Sicher will er es wirklich wissen; auch und oft gerade die besten Künstler sind von Selbstzweifeln ja nicht frei. Doch so ganz nimmt man ihm den Gestus – „Ach, kommt, lass uns das jetzt einfach mal probieren und dann schauen wir mal“ – nicht ab. Denn allein das Booklet, das dem Hörbuch „Paul Celan/Jens Harzer. Eine Annäherung“ beigegeben ist, verrät den Schauspieler als perfektionistischen Künstler, als einen, der alles gern ganz genau wissen will.

Welches Gedicht darf es sein?

Neben dem kurzen Versuch einer Deutung der Gedichte von Paul Celan (1920–1970) liest man in dem Heftchen also ausführlich, was die Celan-Expertin und Literaturwissenschaftlerin Barbara Wiedemann als Lektüre vorschlägt, was Jens Harzer davon goutiert und was nicht, was sie wiederum dazu zu sagen hat und so weiter. Will man das wissen? Nicht wirklich; angesichts der seit Monaten geschlossenen Theater ist man aber schon über so eine kleine Drumherum-Inszenierung froh.

Wer vorher nicht die Liste gelesen hat, fragt sich während des Hörens: Wird er sich trauen oder wird er nicht? „Die Todesfuge“ lesen nämlich. Ein Gedicht, das man nie wieder aus dem Ohr bekommt, hat man es einmal von Celan selbst gehört. Harzer beginnt nicht damit, und im Verlauf der knapp zwei Stunden ahnt man, er wird auch nicht damit aufhören. Es könnte effekthascherisch wirken. Etwas, das der Schauspieler beim Vortragen der Gedichte auch sonst vermeidet.

Die Gedichte sind nach Themen geordnet, Liebe etwa oder Heimat. Dezent streut Harzer Informationen über Celan ein. Über die Zeit, in der ein Gedicht entstanden ist („Hier ist er wieder in der Psychiatrie“), auch über Anspielungen. Etwa von „Give the Word“, ein Satz aus Shakespeares „König Lear“, wozu Harzer lapidar anmerkt: „Wusst’ ich auch nicht.“

Die Verse sprechen von Licht

An anderer Stelle nimmt er das Gefühl des Hörers auf, zeigt sich ähnlich berührt, schickt „Largo“ einen leisen Seufzer und ein „Boah. Ist das traurig“ hinterher. Das ist es. Die Verse sprechen von Licht, doch wirken sie wie aus tiefer Dunkelheit kommend.

Manche Gedichte liest Jens Harzer leise, nachdenklich mehrmals, Versprecher werden nicht getilgt. Er fragt: „Warum ist da ein Doppelpunkt?“, setzt neu an. Er pausiert, sagt: „Noch einmal über Schmerz nachdenken.“

Man hört dem Schauspieler gern zu beim Versuch, den Text zu verstehen, Sätze wie „Wir lagen im Uhrwerk der Schwermut“ den Hörerinnen und Hörern nahezubringen. Der Werkstattcharakter der Aufnahme will auch zeigen: Celan ist nicht nur großes abgründiges Gefühl, sondern auch außergewöhnliches, komponiertes Sprachwerk.

Info zum Hörbuch

Paul Celan/Jens Harzer. Eine Annäherung.
Verlag Speak Low, Berlin. 2 CDs, 110 Minuten, 20 Euro