Touristen laufen auf dem überfluteten Markusplatz durch das Wasser. Der Bürgermeister von Venedig spricht von einer Katastrophe“, fast das komplette historische Zentrum steht unter Wasser. Foto: dpa/Andrea Gilardi

Geschockt stehen die Venezianer vor den Verwüstungen, die das extreme Hochwasser angerichtet hat. Seit Jahren wird in Venedig an einem Flutschutz namens Mose gebaut – sein Nutzen ist umstritten.

Venedig - Wer von Venedig aus mit dem Vaporetto, dem öffentlichen Wasserbus, hinaus zum vorgelagerten Lido fährt, sieht sie bereits aus dem Wasser ragen: die monströsen gelben Bauteile, die irgendwann einmal die Rettung Venedigs sein sollen. Ganz unbescheiden wurde das Mammutprojekt einst Mose getauft. Der Name steht eigentlich als Abkürzung für „Modulo Sperimentale Elettromeccanico“. Ähnlich wie Moses in der Bibel das Rote Meer teilt, sollen bald 78 dieser gelben Barrieren Venedig von einer Flut trennen.

Der Plan: Steigt das Meer um mehr als einen Meter über seinen normalen Spiegel, fahren die Sperren hoch und bilden eine Art Mauer. Eigentlich sollte das System bereits vor drei Jahren in Betrieb genommen werden. In dieser Woche hätte es seinen Nutzen unter Beweis stellen können: Heftiger Wind hatte den Wasserstand in der Lagunenstadt in der Nacht zu Mittwoch auf 187 Zentimeter steigen lassen. Der höchste Wert seit der verheerenden Flut im November 1966. Doch die Sperren liegen weiter nutzlos im Wasser, während die Venezianer sich nach der Mega-Überschwemmung ans Aufräumen machen.

Sechs Milliarden Euro kostet das Mammutprojekt „Mose“

„93 Prozent des Projekts sind fertig“, sagte die Ministerin für Infrastruktur Paola De Micheli am Donnerstag. Für die Fertigstellung seien nun noch etwa 400 Millionen Euro veranschlagt. Mose ist für Venedig etwa das, was der Flughafen BER für Berlin ist. 2006 wurde das Projekt von der damaligen Regierung Prodi in die Wege geleitet, geplante Inbetriebnahme 2016. Doch ein Korruptionsskandal verzögerte das Mammutprojekt. Die Kosten, die ursprünglich mit 3,4 Milliarden Euro veranschlagt wurden, liegen heute bei fast sechs Milliarden Euro. „Das Ziel ist, dass Mose 2021 fertig wird“, sagte De Micheli.

Manch einer bezweifelt allerdings den Nutzen der gelben Mauer: „Als das Projekt initiiert wurde, ging man noch von einem Meeresanstieg durch den Klimawandel von 22 Zentimetern in einem Jahrhundert aus“, so Armando Danella, Mitglied der Umweltinitiative „AmbienteVenezia“. „Heute nimmt man einen Anstieg von 90 Zentimetern an.“ Nach den alten Berechnungen sollten die Sperren etwa sechs Mal pro Jahr zum Einsatz kommen, dann, wenn der Meeresspiegel um 1,10 Meter steigt. „Allein 2018 war das aber 20 Mal der Fall“, sagt Danella. Durch den mangelnden Rückfluss des Wassers hätte sich die Lagune bei so vielen Einsätzen der Sperre wohl in eine Kloake verwandelt.

Regierung ruft den Notstand aus

Die Venezianer müssen aktuell erst einmal mit der verheerenden Flut dieser Woche fertig werden. Die Regierung in Rom hat am Donnerstag den Notstand für Venedig ausgerufen. Damit einher geht vor allem die schnelle finanzielle Hilfe für die Betroffenen, die durch das extreme Hochwasser Schäden an ihren Häusern oder ihren Geschäften zu verbuchen haben.

So sollen Privatleute bis zu 5000 Euro Soforthilfe erhalten, Geschäftsleute bis zu 20 000 Euro. Das Wasser ist in Venedig am Donnerstag wieder zurückgegangen. Vormittags wurde ein Pegel von 113 Zentimetern gemessen. Allerdings wird für die kommenden Tage erneut vor Unwettern und damit weiteren Überschwemmungen gewarnt.